■ Normalzeit
: Versteckte Arbeitslosigkeit

Der einstige Ku'damm Oberschöneweides, die Wilhelminenhofstraße, droht zum Slum zu verkommen, befürchtet Köpenicks SPD-Bürgermeister. Das ORB- Team war vor Ort dabei, als die harte Schichtarbeiter-Säuferkneipe „Feierabend“ endgültig geschlossen wurde: Den herbstlich-elegischen Abgesang auf einen wichtigen Träger proletarischer Kultur – „Eine Heimstatt wird wegrationalisiert“ – schauten wir uns als Video auf der üppig mit 100.000 DM „Begrünungsgeld“ vom Bezirk ausgestalteten Hinterhof-Veranda von Peter Hartmann an.

Er wohnt gleich um die Ecke vom „Feierabend“ und war zuletzt Betriebsratsvorsitzender des Gerätebatteriewerks BAE/Belfa, jetzt ist er arbeitslos-krankgeschrieben. Der TV-Beitrag endet mit einem Paar, das traurig und betrunken zum letzten Walzer tanzt, der aus der „Feierabend“- Musikbox quillt. Peter kommentiert: „Sentimentale Scheiße. Die beiden sind jetzt im Vorruhestand. Die Roggensack hatte das Eisenlager unter sich. Ihr Lebensgefährte war bei uns Sachbearbeiter für Schrott und Sekundärrohstoffe. Das war vielleicht eine Marke. Ich habe den kennengelernt, als wir mal russische Batterien für Indien mit Belfa-Etiketten versehen und neu verpacken mußten. Dafür waren zusätzlich 15 Leute eingestellt worden, er mit.

Das war in diesem saukalten Winter, als im Bocksberg die Turbine rausgeflogen ist, wo keine Straßenbahn mehr fuhr. Vier, fünf Jahre ist das jetzt her, da habe ich den kennengelernt. Er hat mir erzählt, er sei Diplom-Ingenieur für Bau, und er mache das hier bloß, weil er nach Berlin ziehen wolle, er hätte ein Haus in Frankfurt/Oder. Ich habe dem alles geglaubt, er war auch intelligent, den ganzen Tag hat der gequasselt. Hinterher habe ich erfahren, was mit dem wirklich los war: Vier Jahre ist er jeden Tag mit Aktentasche und Stullenpaket losgegangen und hat der ollen Roggensack vorgegaukelt, er gehe arbeiten. Hat von der ihrem Geld gelebt und immer gesagt: seins wird gespart.

In der DDR gab es ja nun mal keine Arbeitslosen. Deswegen hat sie vier Jahre gebraucht, um dahinterzukommen. Und dann fing er bei uns an, sie hat ihm die Stelle wahrscheinlich vermittelt. Soviel zu dem arroganten Grauhaarigen im Film, der sagte: ,Mir gefällt es nicht, hier zu leben!‘“

Ein anderer, Ralf, lebte jahrelang auf Kosten junger alleinerziehender Mütter, die alle als Hauptamtliche bei der FDJ arbeiteten. Ein dritter, Norbert, hatte es vor allem auf ältere geschiedene Frauen in Marzahn und Hellersdorf abgesehen. Allen dreien ist gemeinsam, daß ihnen seit der Wende irgendwie der richtige Schwung abhanden gekommen ist: Sie nörgeln nur noch so dahin. Helmut Höge

Wird fortgesetzt