: Auf dem Spielplan steht: Der Kandidatenreigen
■ Wird der Ulmer Bernd Wilms schon bald Intendant des Maxim Gorki Theaters?
Man hat in diesem Jahr ja schon gar nicht mehr damit gerechnet: Endlich scheint sich etwas zu bewegen bei der Entscheidung über die Zukunft des Maxim Gorki Theaters. Als Kandidat für die Nachfolge Albert Hetterles ist Bernd Wilms im Gespräch. Jedenfalls bestätigte der derzeitige Ulmer Intendant, daß er in der vergangenen Woche einen Vorstellungstermin bei Kultursenator Ulrich Roloff-Momin hatte. Im Senat hält man sich noch bedeckt: Der parteilose Roloff-Momin spreche mit vielen Kandidaten, im Moment sei alles noch offen, teilte sein Pressesprecher Klemke mit.
Gar so verschwiegen sollte man eine bevorstehende einschneidende Veränderung in der Theaterlandschaft vielleicht nicht behandeln, das heizt nur die Gerüchteküche an. Vor Wilms war ganz kurz einmal der Bochumer Intendant Frank-Patrick Steckel – der 1995 von Leander Haußmann abgelöst wird – im Gespräch, aber diese Debatte versickerte irgendwie. Und Chefdramaturg Klaus Pierwoß, der zu einer Übernahme bereit gewesen wäre, hat inzwischen zugesagt, als Intendant nach Bremen zu gehen.
Seinen Vertrag in Ulm hat der 53jährige Wilms schon vor einiger Zeit zum Spielzeitende hin gekündigt. Die Leitung des Dreispartenhauses will er niederlegen, weil die Subventionen in Höhe von 26 Millionen Mark um eine Million gekürzt werden, wie er in einem Interview in Theater heute im Mai mitteilte. Das Maxim Gorki Theater erhielt 1993 14 Millionen Mark für das große Haus (441 Plätze) und das Studio (100 Plätze). Mit einer Platzausnutzung von etwa 70 Prozent und einem Stammpublikum sind die Startbedingungen für einen neuen Intendanten solide. Mindestens ebenso solide müßte auch ein Konzept sein, das der Nachfolger Hetterles mitzubringen hat. Seit 1968 ist Hetterle Unter den Linden Intendant und hat dort ein Repertoire des (sozialistischen) Realismus aufgebaut. Erst nach der Wende hat der Spielplan in der Ägide Pierwoß die Realismusgrenze überschritten. Sobols „Ghetto“, mehrere Tabori-Stücke sowie zuletzt „Die Riesen vom Berge“ von Pirandello zeugen davon.
Aber: Spielweise und Inszenierungsästhetik hinken noch etwas hinterher. Ein neuer Intendant – wenn er nicht einen ganz anderen Weg sucht, da das Feld ja auf allen Leitungsebenen geräumt ist – müßte sowohl das Ensemble überprüfen und gegebenenfalls aufstocken als auch eine Handvoll inspirierter Regietalente mitbringen. Aber so weit ist es ja noch gar nicht, zunächst muß eine Entscheidung fallen. Daß dieser Prozeß jetzt in Gang gekommen ist, ist erfreulich. Petra Kohse
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