Symbolischer Abzug aus Gaza

■ Heute ist Stichtag für die israelischen Besatzungstruppen

Tel Aviv (taz) – Israelische Truppen werden heute aller Voraussicht nach aus einem großen Flüchtlingslager im Gaza-Streifen und einem von ihnen in Beschlag genommenen Hotel in Gaza-Stadt abziehen. Desweiteren wird heute die Freilassung von etwa 1.200 der insgesamt rund 10.000 in israelischen Gefängnissen sitzenden Palästinenser erwartet. Bei den Amnestierten wird es sich um solche Palästinenser handeln, die nicht zur Opposition gegen PLO-Chef Arafat gezählt werden und die keiner schweren Verbrechen beschuldigt sind.

Die Aktionen sollen demonstrieren, daß die Umsetzung des „Gaza-Jericho-Abkommen“ in die Gänge kommt. Der heutige 13. Dezember war von beiden Seiten als Stichtag für den Beginn des israelischen Abzugs festgelegt worden. Da sich Israelis und Palästinenser bisher jedoch nicht auf einen Plan über die genaue Umsetzung des Abkommens einigen konnten, beschränken sich die Israelis heute auf symbolische Aktionen. Angesichts der Tatsache, daß in den letzten Tagen 12.000 neue israelische Soldaten in die besetzten Gebiete eingerückt sind, fallen die heutigen Truppenverschiebungen wenig ins Gewicht.

Von heute an sollen binnen vier Monaten Palästinener die Verwaltung des Gaza-Streifens und Jerichos übernehmen. Letzte Unklarheiten wollten PLO-Chef Jassir Arafat und der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin gestern Abend in Kairo unter vier Augen ausräumen. Offen blieben bisher die Frage der Grenzkontrolle bei den Übergängen nach Jordanien und Ägypten, die geopolitische Definition von „Jericho“, und die genaue Abgrenzung der jüdischen Siedlungen im Gaza- Streifen, in deren Bereich sich israelische Truppen in Zukunft zurückziehen sollen.

Die wichtigsten Kompromisse waren bereits in den letzten Tagen in Tunis und Genf ausgehandelt worden. Unter anderem waren der israelische Wohnungsbauminister Benjamin Ben-Eliezer und hohe Offiziere in das PLO-Hauptquartier gereist. Ben-Eliezer erklärte nach seiner Rückkehr, Arafat befände sich in einer „furchtbaren Lage.“ Er wisse nicht, wie er seine wirtschaftlichen Probleme lösen solle und habe „kein Geld, um seine Polizei zu entlohnen.“ Laut Ben-Eliezer will Arafat möglichst bald nach Jericho ziehen, um „Ordnung in der Fatah“ zu schaffen und Probleme mit der islamistischen Hamas-Bewegung zu lösen. Arafat habe begriffen, „daß die Zeit gegen ihn arbeitet“.

Während der PLO-Chef eine rasche Versöhnung mit den Israelis erreichen möchte, tragen in den besetzten Gebieten Morde an Palästinensern zu einer antiisraelischen Atmosphäre bei. Am Freitag waren aus einem fahrenden Auto heraus drei Palästinenser erschossen worden. Zu dem Anschlag bekannte sich gegenüber einem israelischen Armeesender eine bisher unbekannte Gruppe namens „Gideons Schwert“. Direkt nach den Morden hatte sich bei mehreren Journalisten telefonisch ein gewisser „Ronen“ gemeldet und behauptet, auf die Palästinenser geschossen zu haben. Der Deckname wurde bisher von der extremistischen jüdischen Organisation „Kach“ benutzt. Polizeiminister Mosche Schachal hatte am Samstag behauptet, für die Existenz eines organisierten jüdischen Untergrunds gebe es keine Anzeichen. Die islamistischen Palästinenserorganisationen Hamas und Dschihad Islami kündigten an, für die Toten Vergeltung zu üben.

Ungefähr 2.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Jerusalem gegen die Aktionen israelischer Siedler und gegen die rechten Oppositionsparteien. Die Demonstration war von „Peace Now“ organisiert worden, „damit die Straße nicht ausschließlich den rechten Gruppen überlassen bleibt“ und „um der Regierung zu zeigen, daß das Volk hinter ihr steht“. Zur gleichen Zeit protestierten im ganzen Land rechts-religiöse Gruppen gegen das Abkommen mit den Palästinensern. Amos Wollin