Rabin wies Arafat in seine Schranken

■ Warum Israels Premier den PLO-Chef über den Tisch zog

Tel Aviv (taz) – „Wer glaubt, daß in den nächsten zehn Tagen ein Abkommen mit der PLO geschlossen wird, weiß nicht, wovon er spricht.“ Israels Regierungschef Jitzhak Rabin wischte gestern die meisten Hoffnungen auf eine baldige Umsetzung des „Gaza-Jericho-Abkommens“ vom Tisch. Am Abend zuvor hatte er sich in Kairo mit PLO-Chef Jassir Arafat getroffen, um – so wurde es angekündigt – letzte Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Doch die beiden Gesprächspartner trennten sich im Clinch. Gestern verstrich der „Stichtag 13. Dezember“ für den Beginn des israelischen Truppenabzugs aus Jericho und dem Gaza- Streifen, ohne daß eine einzige israelische Stellung in den besetzten Gebieten geräumt wurde. Rabin kündigte an, er werde sich voraussichtlich in zehn Tagen wieder mit Arafat treffen. Bis dahin könne möglicherweise eine Grundsatzerklärung beider Seiten ausgearbeitet sein, die einzelnen Punkte des Abkommens müßten dann aber noch ausgearbeitet werden.

Mit der Abfuhr für den PLO- Chef widersetzte sich Rabin einer Empfehlung seines Außenministers und Rivalen Schimon Peres. Dieser hatte Arafat zuvor in Spanien getroffen, und Rabin danach geraten, diesem weitmöglichst entgegenzukommen. Arafat sei im eigenen Lager in großen Nöten und dringend „rettungsbedürftig“, berichtete er Rabin. Aber der israelische Regierungschef war anderer Ansicht. Er wollte Arafat zeigen, daß die PLO akzeptieren muß, was Israel bereit ist, den Palästinensern zu geben. Rabin machte Arafat in Kairo darauf aufmerksam, daß dessen Versuche, um die Kontrolle von Grenzen und über Sicherheitsfragen zu feilschen, auf einem Irrtum beruhen. Schließlich sehe das in Oslo ausgehandelte Abkommen vor, daß Israel für die Jahre der Zwischenlösung alleiniger Herrscher der gesamten besetzten Gebiete inklusive aller Grenzübergänge bleibe. Rabin warf seinem Gegenüber vor, in den Verhandlungen mit Israel so zu tun, als ob es um Vorbereitungen zur Errichtung eines palästinensischen Staates gehe.

Die israelische Regierung traf sich nach Rabins Rückkehr aus Kairo in der Nacht eilig zu einer Sondersitzung. Einige Minister betonten, daß Israel unter keinen Umständen bereit sei, die Kontrolle von Grenzübergängen der PLO zu überlassen, weil darin ein Symbol palästinensischer Staatlichkeit gesehen werden könne. Zudem bestehe die Gefahr, daß Waffen, Terroristen oder eine große Anzahl von Palästinensern aus der Diaspora eingeschleust würden.

Arafat hatte im Gegensatz zu Rabin den 13. Dezember als „heiliges Datum“ für den Beginn des israelischen Abzugs bezeichnet. Durch die Brüskierung des PLO- Chefs will Rabin möglicherweise auch feststellen, wie fest dieser noch im Sattel sitzt. Nach Rabins Ansicht ist es für die Israelis besser, vor Beginn einer palästinensischen Selbstverwaltung für klare Verhältnisse zu sorgen, als hinterher. Sollte Arafat aufgrund der Verzögerung stürzen, müsse man halt umdisponieren. Ein nächstes Rendezvous zwischen Rabin und Arafat soll in Kairo rund um Weihnachten stattfinden. Davor sollen zwischen Jerusalem und dem PLO-Hauptquartier in Tunis intensive Geheimverhandlungen laufen. Amos Wollin