: Gattianer quälen sich über letzte Hürden
Ein Abschluß des Welthandelsabkommens scheint in greifbarer Nähe zu sein / Gatt-Generaldirektor Sutherland verschob Frist um fast 24 Stunden / Einigung über Film/TV ■ Aus Genf Andreas Zumach
Nach wesentlichen Fortschritten in der Nacht zum Montag herrscht bei den Genfer Gatt-Verhandlungen wieder Optimismus, daß bis zur vereinbarten Frist morgen abend ein Abkommen zur Liberalisierung des Welthandels fertiggestellt werden kann. Zur endgültigen Beilegung der bilateralen Kontroversen zwischen den USA und der EU soll ein Treffen des „Jumbo“-Ministerrats, der Außenhandels-, Wirtschafts-, Agrar- und Finanzminister der EU in Brüssel beitragen, das bei Redaktionsschluß noch andauerte.
Nach Telefonaten, die US-Präsident Clinton in der Nacht zum Montag mit Bundeskanzler Kohl, dem britischen Premier Major und seinem französischen Amtskollegen Balladur geführt hatte, kam es zu einer „weitgehenden“ Einigung zwischen USA und EU über den Bereich Film/Fernsehen/Audio sowie über die Begrenzung von Subventionen für die Flugzeugindustrie. Die strittigen Details wurden gestern noch weiterverhandelt.
EU-Chefunterhändler Brittan, flog am Morgen von Genf nach Brüssel um den „Jumbo“-Ministerrat zu unterrichten und sich gegebenenfalls neue Verhandlungsrichtlinien geben zu lassen. Unklar war vor der Sitzung des Ministerrats, ob Frankreich sich mit den allgemeinen Absichtserklärungen des EU-Regierungsgipfels vom letzten Samstag zufriedengeben oder aber sein endgültiges Ja zu Gatt von Kompensationszahlungen an die französischen Bauern und für Garantien gegen eine Stillegung von Agrarflächen abhängig machen würde. Mit der Verschiebung der ursprünglich für heute vorgesehenen Sitzung der französischen Nationalversammlung, die über das Gatt-Paket abstimmen sollte, auf Mittwoch, erhöhte Frankreich gestern jedenfalls die Spannung.
Bei den multilateralen Verhandlungen zwischen allen 115 Gatt-Staaten wurde in der Nacht zum Sonntag das Vertragskapitel über Anti-Dumpingmaßnahmen fertiggestellt. Gatt-Sprecher Woods rechnete fest damit, daß die Regierung in Tokio spätestens heute ihr endgültiges Angebot zur Öffnung des japanischen Reismarktes nach Genf übermitteln wird. Am späten Montagabend Tokioer Ortszeit hatte das japanische Kabinett wegen des Widerstands der größten Koalitionspartei, den Sozialdemokraten, sich aber noch nicht auf ein Angebot einigen können.
Weiter umstritten war gestern vor allem noch der Bereich der Finanzdienstleistungen. Eine Annäherung, wenn auch noch keine endgültige Einigung wurde beim Thema Streitschlichtung erreicht. Die USA wollen zwar ihre nationale Gesetzgebung 301, die unilaterale Sanktionsmaßnahmen gegen andere Staaten vorsieht, nicht abschaffen. Zugleich ist die Clinton-Administration aber bereit, das nationale Gesetz dort nicht anzuwenden, wo multilaterale Regeln im Gatt-Rahmen vereinbart werden. (siehe unten).
Gatt-Generaldirektor Sutherland verschob die von ihm ursprünglich auf Sonntag um Mitternacht gesetzte Frist für die Fertigstellung aller 28 Kapitel des Gatt- Abkommens bis gestern abend 23 Uhr. Heute mittag sollen alle Genfer Delegationen den fertiggedruckten Vertragstext erhalten und am Mittwochnachmittag um 17 Uhr die endgültige Zustimmung zu dem rund 450seitigen Vertragswerk geben.
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