Abtreibungsrecht nach Karlsruher Muster

CDU/CSU und Liberale haben sich auf eine gemeinsame erste Fassung zum neuen Abtreibungsrecht geeinigt / Sozialhilfeempfängerinnen sollen Bürokratie und Wege erspart bleiben  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Die Nebel lichten sich nur langsam. Allemal 50 Stunden, schätzt die FDP-Bundestagsabgeordnete Uta Würfel, sei sicher schon über die Neuregelung des 218 verhandelt worden. Doch als die UnterhändlerInnen der Union Ende letzter Woche Einigkeit in der Koalition meldeten, dämpfte Uta Würfel vorsorglich. Sie hatte sich im November belehren lassen müssen, daß bei diesem Thema Vorsicht geboten ist.

Zwar hat sich die kleine Gruppe, die für CDU/CSU und FDP das Abtreibungsrecht nach Maßgabe des Verfassungsgerichtsurteils neu schreibt, auf einen gemeinsamen Text verständigt. Doch steht der unter vielen Vorbehalten. Für Uta Würfel war immer klar, daß zumindest der Versuch gemacht werden müsse, „die SPD mit ins Boot zu holen“, bevor ein fertiger Gesetzentwurf ins Parlament geht. Zudem will die Liberale die gefundenen Regelungen Anfang Januar noch einmal mit dem Arbeitskreis Recht ihrer eigenen Fraktion rückkoppeln. Verhandlungen mit der SPD wollen die Unionsunterhändler hingegen nur in strengen Grenzen. Der Hinweis auf eine Einigung mit dem Koalitionspartner wird in der CDU/ CSU-Fraktion ein gewichtiges Argument sein. Denn einigen Abgeordneten wird die Zustimmung zum § 218 nach Karlsruher Muster schwerfallen. Hatten doch die höchsten Richter am Gesetz vieles moniert, die letzte Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch aber der Frau zugestanden.

Ausdrücklich schreibt die Einigung der Koalitionsarbeitsgruppe fest, daß die Beratung, die einem straffreien Abbruch vorausgeht, dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen muß und „ergebnisoffen“ zu führen ist. Insoweit Entwarnung zu den schlimmsten Befürchtungen, die Anfang November die Runde machten. Es darf nicht erzwungen werden, daß die Frau ihre Gründe nennt, ihre Anonymität muß auf Wunsch gewahrt bleiben. Wie ein Abbruch finanziert wird, gehört zu den äußerst umstrittenen Folgefragen des Karlsruher Urteils. Ein Schwangerschaftabbruch nach Fristenregelung darf danach nicht von den Kassen getragen werden; einkommensschwachen Frauen (Grenze: 1.800 DM im Monat) steht die Sozialhilfe offen. Auf (derzeit) 400 Mark begrenzen die Koalitionsvereinbarungen die Kosten für die Frauen, die selbst zahlen müssen.

Den potentiellen Sozialhilfeempfängerinnen sollen immerhin Wege und Bürokratie erspart bleiben: der Arzt rechnet mit der Krankenkasse, die wiederum mit dem Sozialamt ab. Die neu zu formulierenden Strafrechtsnormen, nach denen Angehörige einer Schwangeren belangt werden können, wurden am längsten verhandelt. Mögliche Strafverfahren sind laut Auskunft von Uta Würfel an strenge Maßstäbe gebunden. Doch ließe Karlsruhe nicht zu, lediglich den Nötigungsparagraphen des Strafgesetzbuches zu erweitern. So würde die SPD gerne mit der richterlichen Auflage verfahren. Sie vermutet in der Koalition durchweg die Neigung zu Übereifer. Hier ist Uta Würfel ganz entschieden: „Ich kann keine Unterregelung zulassen.“ Inge Wettig-Danielmeier hat den Liberalen geschrieben, die SPD sei zu Gesprächen bereit. Grundlage müßten freilich die Vorschläge aller Beteiligten sein.