Kein „sozialer NC“!

■ Phil-Turm-Blockade: Uni-Reform erhitzt die Gemüter

Blockade des Uni-Betriebes gestern mittag: Der Phil-Turm ist besetzt, die Wachposten vor den beiden Aufgängen lassen nur noch Professoren durch. Ein junger Mann springt auf einen der Infotische im Foyer: „Es geht um euch, ihr dürft nicht mehr weggucken!“, ruft er seinen Kommilitonen zu.

Einige Studenten bleiben stehen, hören ihm zu. Andere schlendern weiter, lesen die Flugblätter, die ständig verteilt werden. Drei junge Frauen maulen: „Wir müssen unser Referat für kommende Woche vorbereiten. Alles ist so unorganisiert.“

Es ist ein gemischtes Aktionspublikum, daß sich an diesem Tag mit Hochschulpolitik auseinandersetzen muß. Für die meisten kam die Blockade überraschend: Ein am vergangenen Donnerstag nach den bundesweiten Uni-Protesten gegründeter Aktionsrat hatte diese übers Wochenende geplant.

Grund für die Spontanbesetzung: das berüchtigte „Eckwertepapier“, das die Reformvorschläge der Landeskultusminister-Konferenz umfaßt. Die Studenten erbost vor allem die Einführung der Regelstudienzeit von neun Semestern - bei Überschreitung droht die Zwangsexmatrikulation - und die Aufteilung des Studiums in Grund- und „wissenschaftliches Hauptstudium“.

„Werden die Reformen durchgesetzt, bekommen wir eine Elite-Uni mit sozialem Numerus Clausus“, protestiert Sören Niemann, der Student vom Infotisch. Wer nebenbei arbeiten muß, brauche nahezu das Doppelte an Studienzeit. SPD-Mitglied Niemann unkt: „Früher mußten wir uns nur mit der CDU rumschlagen, jetzt trägt die SPD dieses Papier.“ Auch Elisabeth Frank unterstützt den Protest: „Ich bekomme im nächsten Jahr ein Baby, könnte also nie die Regelstudienzeit einhalten“, sagt sie.

Die Mehrzahl der Professoren reagiert wohlwollend, sogar unterstützend. Der Hamburger Universitätspräsident Jürgen Lüthje erklärt sich solidarisch mit seinen Studenten. Spontan formiert sich ein Zug von Zuhörern, strömt zum nicht besetzten „Wiwi“-Bunker, um dort die Veranstaltungen zu sprengen. Tausend Studenten demonstrieren um 15 Uhr zum Rathausmarkt.

Die GAL Fraktion läßt ihren Hochschulabgeordneten Martin Jörß sprechen: „Der Protest der Studenten muß endlich ernstgenommen werden.“ Der heute zur Wiederwahl gestellte Wissenschaftssenator Leo Hajen wird aufgefordert, seine Unterstützung des Eckwertepapiers zurüchzunehmen. Die Besetzung zieht weitere Kreise. Der Asta ruft zur Blockade auf: Am Freitag soll die Hamburger Innenstadt blockiert werden.

Katrin Wienefeld