King Henning und seine Tafelrunde

■ Senatschef Henning Voscherau ist auf dem Gipfel seiner Macht     Von Uli Exner

Wenn heute die Bürgerschaft Henning Voscheraus 12er-Pack für vier Jahre ins Senatsgehege schickt, hat der agile Notar aus Wandsbek den vorläufigen Gipfel seiner Macht erreicht. Voscherau vereint in seiner Hand eine Machtfülle, wie kein Hamburger Bürgermeister seit Herbert Weichmann. Er bestimmt den Gang der Regierungspolitik, dominiert Senat, SPD und die Statt-Koalos.

Eine wundersame Wandlung: Vor kurzem noch taumelte Voscherau, dachte an Rücktritt. Geschockt vom Wahldesaster sah er sich von SPD-Linken und Grünen umzingelt, von der Parteirechten unter Druck gesetzt. Die Rettung kam durch eigenes Geschick – und Parteichef Helmuth Frahm, Spitzname „Onkel Helmuth“. Frahm hatte die SPD auf Voscherau-pur eingeschworen, gemahnt, nur Voscherau halte die Partei zusammen, nur mit ihm sei Rot-Grün möglich. Voscherau durfte allein Inhalt und Verlauf der Koalo-Gespräche diktieren, seine Essentials mutierten zum SPD-Katechismus. Frahm verbat sich öffentliche Diskussionen und eine Befragung der Parteibasis über den zukünftigen Kurs. Als Onkel Helmuth auch nach dem unvermeidlichen Bruch der rot-grünen Verhandlungen treu zu King Henning stand, staunte Voscherau kurz – er hatte bis zuletzt einen trickreichen Königsmord der Parteilinken erwartet – und ging dann in die Offensive. Personalpolitik, Macht pur, war angesagt: Die Mitsprache der Partei, beim 91er Senat noch von erheblichem Gewicht, spielte keine Rolle mehr - Onkel Helmuth nickte alles ab.

Den neuen Senat stellen nicht mehr rechte und linke Parteigliederungen auf – alle verdanken ihren neuen Job Voscherau höchstpersönlich. Taktiker Voscherau mixte dabei genial Flügelbalance mit persönlichen Abhängigkeiten, schwächte Links und Rechts gleichermaßen: So kürte Voscherau die linke Nord-Dame Helgrit Fischer-Menzel zur Sachwalterin des großen Filzfürstentums Sozialbehörde: Von dort mußte Ortwin Runde weichen und wird geschickt auf dem undankbaren, aber formal höher angesiedelten Job des Finanzsenators kaltgestellt. Die alte Wandsbek-Connection schwächte Voscherau durch den Verstoß Zumkleys und die Mißachtung Günter Elstes, hielt den rechten Flügel aber durch Eugen Wagner in Schach, der jetzt weiß, daß sein Arbeitgeber Voscherau heißt. Persönlich verpflichtet sind Voscherau auch Leonhard Hajen, Fritz Vahrenholt und Christina Weiss.

Mit Aufsteiger Dr. Thomas Mirow, künftig zuständig für die Senatskanzlei, den gesamten öffentlichen Dienst, die Stadtentwicklung und die Koordination der Senatspolitik, hat Voscherau seine hochkompetente und bedingungslos ergebene rechte Hand nun auch offiziell zur zweitmächtigsten Figur im Senat geadelt. Sir Mirow, Voscherau durch alte Filzgeschäfte tief verbunden (Speicherstadt, Kehrwiederspitze), weltläufig, eloquent und im großbürgerlichen Auftreten ebenso zu Hause wie in den Denckategorien des großen Geldes, ist für den manchmal doch recht provinziellen Notar ein wichtiger – und mangels Hausmacht – völlig ungefährlicher Vasall.

Widerspruch ist ausgemerzt, Henning ist Chef im Ring, Steigbügelhalter Markus Wegner ein lernbegieriger Knappe mit flinkem Auffassungsvermögen. Von der geschwächten SPD ist auf Jahre keine ernsthafte Opposition zu erwarten. Jubelt eine Vasallin aus dem engsten Umkreis: „Die Ära Voscherau hat gerade erst begonnen.“