: Europäischer Illusionist
■ Stoiber attackierte in Brüssel die Europapolitik der Bundesregierung
Brüssel (taz) – Damit keine falschen Vorstellungen aufkommen: Stoiber ist für Europa. „Der Lauschangriff muß endlich auf europäischer Ebene organisiert werden“, verlangt er, es sei „lächerlich“, daß deutsche Polizeibeamte bei der Verfolgung von Verbrechern in Frankreich gestoppt würden. Ansonsten aber will Stoiber den Widerstand gegen die „unsinnigen Brüsseler Verordnungen“ organisieren. Weil es den bayerischen Metzgern nicht mehr zu vermitteln sei, daß ihnen aus Brüssel vorgeschrieben werde, wie sie ihre Schlachthäuser sauberzuhalten hätten, werde die bayerische Landesregierung die Hygieneverordnung nicht umsetzen. „Wir werden die Verordnung kippen“, kündigte Stoiber an, „dies zeigt den Menschen, daß sich Widerstand gegen den Unsinn lohnt.“
Vor Journalisten in Brüssel griff er in wohlkalkulierter Hemdsärmeligkeit die Europapolitik der Bundesregierung an. „Kohl ist ein europäischer Illusionist“, sagte Stoiber und warf Kinkel „Desinteresse“ an der deutschen Außenpolitik vor. In den Augen des Bundeskanzlers seien die zahlreichen sinnlosen Richtlinien der Europäischen Union, die bei den „einfachen Menschen“ eine ungeheure Europa-Verdrossenheit erzeugten, nur „Peanuts“.
Leicht verklausuliert deutete Stoiber an, die CSU denke an eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen FDP-Politiker und Euro-Rebellen Manfred Brunner. Dieser beabsichtigt, bei den Europawahlen, bei denen die CSU Gefahr läuft, an der Fünfprozenthürde zu scheitern, mit einer eigenen Anti- Europa-Liste anzutreten.
Der EU-Kommissionspräsident Jacques Delors wurde in Brüssel von Stoiber über die bayerische Auffassung von Subsidiarität belehrt. Die Frage, ob etwas auf europäischer Ebene besser geregelt werden kann als auf nationalstaatlicher, ist laut Stoiber unzulässig. Erst wenn ein Problem auf nationaler Ebene überhaupt nicht mehr gelöst werden könne, dann dürfe sich Brüssel damit befassen. Mit dem Lauschangriff zum Beispiel. Alois Berger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen