Die Betreuung von Flüchtlingen ist kaum möglich

■ Etwa 60.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien leben derzeit in Berlin

Immer mehr Menschen fliehen vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien nach Berlin. Brachten die 23 Bezirke im Oktober und November täglich zwischen 125 und 140 Flüchtlinge unter, wurde am Nikolaustag mit 249 Kriegsflüchtlingen ein neuer Höhepunkt erreicht. Die meisten von ihnen stammen aus Bosnien-Herzegowina und werden generell als Kriegsflüchtlinge geduldet. Immer mehr fliehen jedoch auch aus dem Kosovo, Makedonien, Montenegro. Sie müssen bei der Innenverwaltung eine Einzelfallprüfung über sich ergehen lassen. Nach Angaben von Beratungsstellen wurden diese jedoch bisher meist positiv beschieden. Da der Rückweg keiner ist, bleibt sonst nur der Weg in die Illegalität.

Waren Ende September bei der Sozialverwaltung 20.000 Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien bekannt, rechnet Pressesprecherin Rita Hermanns für das Jahresende mit 30.000. Damit nimmt Berlin neben Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg einen Spitzenplatz bei der Aufnahme ein und drängt deshalb auf die Einrichtung einer Verteilungsquote für alle Bundesländer auch für Kriegsflüchtlinge. Beratungsstellen gehen von etwa 60.000 Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien in Berlin aus.

Offiziell werden die Menschen, die dem Krieg in ihrer Heimat entkommen sind, als „obdachlose Ausländer“ behandelt. Für ihre Unterbringung sind die Bezirke zuständig. Allerdings kommen von den 20.000 offiziell bekannten Flüchtlingen 4.000 privat unter – bei Freunden oder Verwandten. Weitere 2.300 bringt das Land Berlin überwiegend in ehemaligen Übersiedlerheimen unter.

Die Behandlung der Flüchtlinge ist in den Bezirken durchaus unterschiedlich. Während Schöneberg in der vergangenen Woche die erste Turnhalle öffnete (die nach Aussage des Büros des Sozialstadtrats inzwischen wegen Windpocken für Neuaufnahmen wieder geschlossen wurde), werden sie in den meisten Bezirken in Heimen und Pensionen untergebracht. Nach Aussage der meisten Sozialstadträte sind die Kapazitäten begrenzt, aber noch nicht erschöpft. „Unterbringung in Turnhallen lehne ich völlig ab“, sagte Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Sozialstadträtin in Kreuzberg, zur taz. Mit diesem Angebot werde ein politisches Spiel gespielt. Waren in Kreuzberg im Januar 600 Flüchtlinge, sind es inzwischen 1.600, von denen etwa 1.250 vom Bezirk untergebracht werden. An eine spezielle Betreuung der Geflohenen ist in den meisten Fällen nicht zu denken. Verfügen die Landeseinrichtungen immerhin noch über eine Mimimalbetreuung durch Sozialarbeiter und Dolmetscher, sind die Menschen, die in den oft lausigen Pensionen untergebracht sind, in der neuen Umgebung auf sich gestellt. Alle Hände voll zu tun haben deshalb auch die Beratungsstellen. „Wir haben die Zustände am Waterloo-Ufer hier im Kleinen“, sagte Katharina Vogt, Leiterin der AWO-Flüchtlingsberatung, zur taz. Morgens um elf stünden die ersten vor der Tür, und warteten bis zur Öffnung um zwei Uhr auf Einlaß. Jeannette Goddar