Sanssouci: Vorschlag
■ „Drei Frauen“ von Sylvia Plath im Modernen Theater
Auf einer Geburtsstation liegen drei Frauen und warten. Die erste erlebt ihre Schwangerschaft als beglückendes, kosmisches Ereignis. „Langsam bin ich wie die Welt. Durchkreise sehr geduldig meine Zeit. Sonnen, auch Sterne achten auf mich.“ Die zweite trägt ein totes Kind im Leib, und der Tod erscheint ihr überall, in den weißen Laken und in den kahlen Bäumen vor dem Fenster. Die dritte lehnt sich auf gegen ihren anschwellenden Körper: „Umbringen hätte ich sollen, was mich umbringt.“
Die amerikanische Dichterin Sylvia Plath schrieb den lyrisch- dramatischen Text „Three Women“ 1962, ein Jahr vor ihrem Freitod. Geburt und Tod sind darin unauflöslich miteinander verbunden. Selbst die erste Frau, die sich wohlig als Teil der Natur, als „Berg“ und „Himmel“ erfährt, fühlt sich gleichzeitig hilflos ausgeliefert und vom Tode bedroht: „die erste Welle schlägt mir mit Todeskraft entgegen“. Auf die Betten der Frauen scheint der Mond, „dieses verrückte, harte Gesicht“, ein mythischer Gott der Fruchtbarkeit und des Todes. Es ist nicht leicht, eine solche dreifache Innenschau auf die Bühne zu bringen. Und doch ist die Inszenierung von Ulrike Hofmann mehr als eine bloße Rezitation. Drei Orte sind den Stimmen zugeordnet: ein Holzstoß, von einer orangefarbenen Matte bergend umhüllt, ein scharfkantiger Metallkasten, der bloß einen weiteren Kasten enthält, und ein Stuhl, der halb aus Holz und halb aus Kunststoff besteht. Die Schauspielerin Marietta Bürger spricht die Texte mal im Plauderton, mal als sachlichen Bericht, mal nachdenklich und wie abwesend. Große Ausbrüche, die die Wirkung der in Sprache gefaßten Schreckensvisionen nur stören würden, vermeidet sie geschickt. Diverse Schnitzer der Übersetzung von Friederike Roth, in der Patentanten mit Hebammen und sogar „Leichen“ mit „Leben“ verwechselt werden, wurden beseitigt und der Text behutsam gekürzt. In ihrer komplexen Bildersprache schafft diese Inszenierung gerade für die, die Sylvia Plath noch nicht kennen, einen ersten Zugang zu ihren extrem subjektiven, vieldeutigen Texten. Miriam Hoffmeyer
Heute bis 20.12. und am 26./27.12., jeweils um 20.30 Uhr im Modernen Theater Berlin, Merseburger Straße 3, Schöneberg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen