Sanssouci
: Vorschlag

■ (Not) Out of Context I-IV - Wolf Kahlens Künstlermuseum

In Dahlem, zwischen Eigenheimen und Uni-Instituten, steht ein Haus, das in dieser Umgebung aus der Reihe fällt: die Ruine der Künste. Von der Fassade des klassisch-modernen Flachdachbaus bröckelt der Putz, der Garten macht einen leicht verwilderten Eindruck, auf der Veranda wachsen Birken. Jahrzehntelang stand die angeblich von russischen Soldaten in den letzten Kriegstagen 1945 in Brand gesteckte Villa leer, zerstört und halb verkohlt, wie sie war. Bis eines Tages der Künstler Wolf Kahlen das zwischenzeitlich in Landeseigentum übergegangene Gelände vom Senat mietete, die Ruine in vier arbeitsreichen Jahren freischaufelte und innen komplett umbaute. 1985 eröffnete er mit dem „Museum für materielle und immaterielle Künste“ eines der in Deutschland ganz raren Künstlermuseen.

Kahlen, der sich in den siebziger Jahren mit konzeptuellen, oft von fernöstlicher Mystik inspirierten Arbeiten einen Namen gemacht hatte und nach wie vor der Spiritus rector der „Ruine“ ist, veranstaltete in der Hittorfstraße nicht nur eigene Ausstellungen, sondern lud auch befreundete KünstlerInnen ein. So verwandelte, indem er die Fenster bis auf jeweils einen schma-

Die Vor-Kahlen-Zeit Abb.: Edition Ruine der Künste

len Spalt verklebte, der Minimalist Jochen Gerz einmal den Innenraum der Ruine in ein filigranes Wechselspiel von Linien, Licht und Schatten. Später zeigte Wolfgang Laib mit Blütenstaub gefüllte Einmachgläser, und Ryzard Wasko installierte seine Bodenskulptur „Hommage for(!) the street“. Im Garten entstanden „Rasenmäherzeichnungen“ von Margret Rasp, Peter Hutchinson pflanzte ein Blumenbeet, dessen Form er zuvor durch einen Seilwurf bestimmt hatte. Daneben gab es „Kunst aus dem Telephon“ mit 365, auf Tonband gespeicherten „Zeit- An-Sagen“ von Joseph Beuys bis Wim Wenders.

In lockerer Annäherung läßt die Ausstellungsreihe „(Not) Out of Context I-IV“ die vergangenen acht Jahre Revue passieren. Zu sehen sind auch Arbeiten von Dieter Appelt, Mario Merz, Jannis Kounellis, Carl Andre oder Nam June Paik. Meist sind es kleine, unspektakuläre Kabinettstückchen, „Abfallprodukte“ der vergangenen, großzügig angelegten Projekte. Dazwischen entdeckt man überall Reste von früheren Aktionen: verwitterte Lautsprecher einer Klanginstallation von Rolf Julius, halb zerfledderte Buchobjekte des 53jährigen Hausherren oder den spaßeshalber vom Kunstschriftsteller und Theoretiker Walter Aue von Greenwich nach Dahlem verlegten „Nullmeridian“, eine in den Boden eingelassene Eisenschiene. In der Ruine der Künste wird nicht, wie sonst in Museen üblich, pathologisch konserviert. Aus allen Ecken grinst einem schon teilweise skelettierte Kunst entgegen, oder, um es mit Kahlens Worten auszudrücken: „Es ist ein stetes Werden und Vergehen.“ Aber angenehm unverkrampft. Ulrich Clewing

(Not) Out of Context I-IV, bis 15.4., Besuch nach telefonischer Vereinbarung: 831 34 35.