■ Duisburger Jungarbeitslose treten in Aktion:
: Mauerbau und Puppentanz

Duisburg (taz) – Facharbeiter auf Nachtschicht: Gegen 4 Uhr morgens mauert ein knappes Dutzend Menschen die Geschäftsstelle der Duisburger CDU zu. Mit Styropor und mit Betonsteinen. „Wenn ihr unsere Zukunft verbaut, dann bauen wir euch zu“, ist auf der Steinmauer zu lesen. Die spektakuläre Aktion wurde von Jungarbeitern des Stahlgiganten Thyssen minutiös vorbereitet. „Um die 40 Jugendliche waren daran beteiligt“, erzählen sie anschließend, „acht von uns haben sie schließlich ausgeführt.“ Die verwegenen Gesellen waren es leid, „immer wieder nur mit Transparenten gegen Jugendarbeitslosigkeit zu demonstrieren“. In Duisburg gibt es rund 16 Prozent Erwerbslose, ein Drittel davon ist jünger als 25. Allein von Thyssen werden alle sechs Monate etwa 600 Jugendliche zum Arbeitsamt geschickt. „Deswegen haben wir mal diejenigen ausgesperrt, die dafür die Hauptverantwortung tragen“, bekennen die phantasievollen Aktionisten nach getaner Arbeit.

Zwei Wochen hat das Aktionsteam für den nächtlichen Einsatz trainiert. „Als Vorbereitung sind wir mit einer kleinen Delegation zur Geschäftsstelle gefahren und haben dreist von Eingangstür und Schaufenster die Maße genommen, Höhe und Breite“, erläuterte der zuständige Meßtechniker. Leichte Gasbetonsteine wurden organisiert, durchnumeriert und solange probeweise aufgebaut, bis das Akkordtempo reichte. „Dann sind wir mit zwei Bussen vorgefahren und haben das Zeug davorgeklatscht, höchstens eine Viertelstunde Maloche.“ Gleichzeitig haben sogar Nachbarn Schnappschüsse des vernagelten CDU-Büros gemacht. „Die Anlieger dachten sich wohl, die Schwarzen machen ihren Laden endlich dicht“, erklären sich die grienenden Mauerbauer ihre Sympathisanten in der Bevölkerung. Vormittags wurde das Aktionskunstwerk von den Einlaß begehrenden CDU-Angestellten dann abgebaut.

Völlig beeindruckt von der Aktions-PR war der Duisburger CDU- Chef Horst Günther. Der Bundestagsabgeordnete hat „Strafanzeige gegen Unbekannt“ gestellt. Es scheint den Gemeinwohlvertreter zu grämen, daß „seitens der Gruppe weitere ähnliche Aktionen angekündigt wurden“. Aber welche Straftatbestände beim Duisburger Mauerbau angeblich einschlägig wurden, will die CDU nicht verraten. Kein Wunder: Nicht einmal die Ermittlungsbehörden sehen Anhaltspunkte für eine Sachbeschädigung. Weiterhin mühte sich Kanther-Kopf Günther vergeblich, die Personalien der Mauerbauer festzustellen. Der rechte Multifunktionär verlangte gar deren Namen von den über die Aktion berichtenden lokalen Medien. In diesem Zusammenhang entwich dem Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium auch ein Schwall heißer Luft. Laut Nobbies Günnie spreche „einiges dafür“, daß „durch die Medien strafbare Handlungen unterstützt worden sind“ ... Auch darüber könnten die verdienten Aktivisten des Mauerbaus nur lachen: „Für unsere gute Sache wären wir auch mal einen Tag eingefahren, gut für die Publicity“, höhnen die Aktions-PR- Kids.

In der Nacht zum Donnerstag spielten die Duisburger Jungarbeiter ihren zweiten großen Streich. Von der Vater Rhein überspannenden Friedrich-Ebert-Brücke ließen sie mehr als 50 Lehrlingsleichen herab. Im gegen das Thyssenwerk anwehenden Sturmwind baumeln seit Mitternacht aus Schutzanzügen gefertigte weiße Puppen. Den symbolischen Massenexitus eines ganzen Azubi-Jahrgangs erläutert ein Transparent am Brückengeländer. „Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter“ ist in bester Sponti- Tradition zu lesen. Ça ira enfants! Thomas Meiser