Der Schusselprofessor geht von Bord

US-Verteidigungsminister Les Aspin tritt zurück, hinterläßt Verwunderung und viele außenpolitische Krisen / Als Nachfolger ist ein Admiral und Ex-CIA-Mann im Gespräch  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Daß es passieren würde, hatten angeblich alle geahnt. Doch als am Mittwoch US-Verteidigungsminister Les Aspin in einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Beisein Bill Clintons seinen Rücktritt „aus rein persönlichen Gründen“ erklärte, waren die anwesenden JournalistInnen ebenso überrascht wie die MitarbeiterInnen des Pentagon.

Er sei stolz auf das, was er in diesem Jahr als Minister geleistet habe, erklärte der 55jährige mit hörbar zittriger Stimme. Doch nach mehr als 20 Jahren Arbeit in der Verteidigungspolitik sei es nun an der Zeit, „eine Pause einzulegen und etwas Neues zu beginnen“. So zumindest lautete Aspins offizielle Version für die Presse – flankiert von einer eher teilnahmslos vorgetragenen Danksagung Clintons.

Daß Aspin „etwas Neues“ anfangen möchte, glaubt in Washington keiner; daß sich Bill Clinton in den letzten Monaten zunehmend unzufrieden mit seinem Mann im Pentagon zeigte, wußte jeder. Der ehemalige Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im Repräsentantenhaus hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit durch öffentliche Statements für einige Aufregung gesorgt.

Hinzu kamen sicht- und hörbare Konflikte und Unverträglichkeiten mit der militärischen Führung im Pentagon. Kritik wurde laut, ob ein zugegeben genialer „Intellektueller in der Militärpolitik“ mit einem für Generäle höchst unorthodoxen Führungsstil, der Attitüde eines schusseligen Professors und ohne jede Erfahrung im Management geeignet sei, ein Ministerium mit einem jährlichen Budget von über 260 Milliarden Dollar zu leiten.

Aspin, Christopher, Lake: Lauter Fehlbesetzungen

Während sich eine außenpolitische Krise an die andere reihte – Bosnien, Somalia, Haiti –, wurde Aspin oft in einem Atemzug genannt mit Außenminister Warren Christopher und Sicherheitsberater Anthony Lake – in den Augen vieler ein Trio von Fehlbesetzungen. Gesundheitsprobleme und das Einsetzen eines Herzschrittmachers lösten zusätzlich Zweifel aus, ob Aspin den Belastungen gewachsen sei.

Überraschend für viele ist jedoch der Zeitpunkt, denn gerade jetzt schien der Politiker aus dem US-Bundesstaat Wisconsin in seinem Amt Fuß zu fassen – zumindest, was die Kooperation mit der militärischen Führung im Pentagon anging. Mit dem Weißen Haus war der nächste Konflikt jedoch schon vom Zaun gebrochen: Aspin wird noch bis zu seinem letzten Amtstag, dem 20. Januar 1994, versuchen, weitere fünfzig Milliarden Dollar für die Verteidigungsplanung der nächsten fünf Jahre herauszuhandeln – Geld, das Clinton eigentlich dringend für zivile Programme braucht.

Ein Nachfolger wurde am Mittwoch noch nicht benannt. In der Washingtoner Gerüchteküche kursierten gestern unter anderen die Namen des amtierenden CIA- Chefs James Woolsey und des ehemaligen Chefs des Generalstabs, Colin Powell. Beste Chancen soll inoffiziell jedoch der frühere stellvertretende Chef der CIA, der 62jährige Admiral Bobby Ray Inman, haben.

Dessen gute Kontakte zu beiden Parteien im US-Kongreß sowie seine Reputation im Pentagon sollen in Zukunft zumindest für harmonischere Töne bei den Verhandlungen zwischen Verteidigungsministerium, Parlament und Weißem Haus sorgen.