VW-Tochter Seat darf Massen entlassen

■ Katalanische Regionalregierung stimmt dem Sanierungskonzept zu

Barcelona (taz/dpa) – Der VW- Konzern darf die Seat-Fabrik in der Zona Franca am Stadtrand von Barcelona schließen, nachdem die Regionalregierung Katalonien die geplanten Massenentlassungen gebilligt hat. Mehr als ein Drittel Verkaufseinbußen hat die Volkswagen-Tochter Seat in diesem Jahr erlitten, es werden Verluste von zwei Milliarden Mark erwartet. Damit ist Seat der größte Verlustbringer für den VW-Konzern.

Wie der katalanische Arbeitsminister Ignacio Farreres am Mittwoch in Barcelona bekanntgab, wird mit dem Abbau von Arbeitsplätzen im Januar 1994 begonnen. 9.000 der 22.500 Stellen sollen gestrichen werden – die größte Massenentlassung in Spaniens Industriegeschichte.

Nach Angaben von Farreres sollen 2.900 Mitarbeiter ab 55 Jahren in den Vorruhestand geschickt werden. Weitere 4.616 müssen eine zweijährige Arbeitspause einlegen, in der sie 80 Prozent ihres bisherigen Einkommens beziehen: 70 Prozent vom Arbeitsamt und zehn Prozent von Seat. Die Zeitarbeitsverträge werden nicht verlängert.

Die Gewerkschaften, die zunächst gegen den Sanierungsplan gestreikt und demonstriert hatten, stimmten den Bedingungen des Personalabbaus nicht formell zu, sagten aber alle weiteren Protestaktionen ab. Zwar haben sie nicht alle gewünschten Ausgleichszahlungen erreicht.

Als positiv bewerteten sie jedoch die Seat-Zusage, bis 1998 weitere 67 Milliarden Peseten (838 Mio. DM) in die Produktion zu investieren. Spaniens Industrieminister Juan Manuel Eguiagaray bezifferte die staatlichen Zuschüsse zu den Sozialkosten des Seat-Rettungskonzepts auf 30 Milliarden Peseten (37,5 Mio. DM).

Das Sanierungskonzept sieht vor, die Autoproduktion im Werk Zona Franca 1994 einzustellen und auf das neue Werk im 30 Kilometer entfernten Martorell zu konzentrieren. Auf dem dann freiwerdenden Betriebsgelände will Seat einen Zulieferpark für seine Fabriken einrichten. Die Seat-Manager versprechen, den zu zwei Jahren Zwangsurlaub verpflichteten 4.600 Arbeitern anschließend einen Job zu verschaffen, entweder im Zulieferpark oder im eigenen Unternehmen, wenn nach Überwindung der Absatzflaute die Produktion wieder steigt. Eine Wiederbeschäftigungsgarantie übernimmt Seat jedoch nicht.

Die Zulieferer, die Mitte November in Barcelona von José Ignacio „Superlopez“ zusammengetrommelt wurden, um den neuen Plan vorgestellt zu bekommen, erhielten das Versprechen, der Anteil spanischer Komponenten für Seat werde auf 67 Prozent erhöht, was für sie einen zusätzlichen Umsatz in Höhe von etwa 350 Millionen DM jährlich bedeutet.

Bislang verkauften die spanischen Zulieferer nur 54 Prozent der Seat-Komponenten, der Rest wurde aus Deutschland importiert. Durch diesen Anstieg und durch die Veränderung in der Produktionsform, so die Seat-Leitung, würden im neuen Zulieferpark mehr als 1.500 Arbeitsplätze geschaffen. Weitere 1.800 Menschen könnten beschäftigt werden, sobald die Verkaufszahlen steigen.

„Wir haben derzeit zwei Fabriken, die nur zur Hälfte arbeiten. Wir müssen unbedingt die eine supermoderne Fabrik, die wir haben, Martorell, zu 100 Prozent auslasten“, sagte Pressesprecher Enrique Zorzano. VW habe den Fortbestand der Marke Seat garantiert und eine Finanzspritze von 1,5 Milliarden DM versprochen. Von einem Ausverkauf könne daher keine Rede sein.

Die Gewerkschafter sehen das anders. Für den Fall eines Anstiegs der Verkaufszahlen, so die Befürchtung von Alfonso Rodriguez, kann Seat nach dem Arbeitsplatzabbau der Nachfrage nicht mehr nachkommen. „Und dieses Marktsegment wird dann sicher von Volkswagen übernommen.“ Antje Bauer