: Wirtschaftsstandort Berlin
Der Ausverkauf am Potsdamer Platz wird fortgesetzt: Sony erhält Dumping-Kaufpreis auf Umwegen vom Senat zurück ■ Aus Berlin Dieter Rulff
Angesichts des zögerlichen Regierungsumzuges nach Berlin stellte im Oktober Sony-Manager Jack Schmuckli den beabsichtigten Neubau der Europazentrale seines Konzern am Potsdamer Platz wieder in Frage. Der Politik, so bemängelte der Europa-Chef des Unternehmens damals, „fehlt es an Souveränität und Größe“. Seitdem der Berliner Senat dieses „Warnsignal“ vernahm, ist er nach Kräften bemüht, den Mangel zu beheben. Großzügig schiebt er dem Sony- Konzern Werte zu, die den Kaufpreis seines Geländes am Potsdamer Platz noch übertreffen. Souverän erlaubt er ihm schon jetzt, den Kaufvertrag zu brechen.
101 Millionen Mark mußte der Sony-Konzern bezahlen, als er 1991 30.917 Quadratmeter am Potsdamer Platz erwarb. Schätzungsweise 107 Millionen Mark wird der Konzern in seinen Bilanzen gutschreiben können, wenn demnächst ein Grundstückstauschgeschäft, wie vom Senat eingefädelt, abgeschlossen und zudem die Berliner Stellplatzverordnung, wie vom Senat beschlossen, abgeschafft wird.
Bereits die 3.270 Mark pro Quadratmeter, die Sony seinerzeit für sein Areal entrichtete, waren ein so günstiger Preis, daß die Wettbewerbshüter der EU den Verdacht einer verdeckten staatlichen Subvention hegten. Nur mit Mühe und Schönrechnerei gelang es dem Senat, Sony vor einer Nachzahlung zu bewahren.
Als das Land Berlin nun einen Teil des Geländes zurückerlangen wollte, wurde ihm dieses uneigennützige Engagement nicht vergolten. Für die Führung der neuen Postdamer Straße wird ein 4.200 Quadratmeter großer Grundstücksstreifen benötigt. Doch statt den Rückkauf zum einmal vereinbarten Preis abzuwickeln, bot Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) dem Konzern ersatzweise ein 4.500 Quadratmeter großes Grundstück am Leipziger Platz an. Das Areal befindet sich in feinster innerstädtischer Lage. Schon sein Bodenrichtwert wird mit 12.000 Mark pro Quadratmeter angegeben, der tatsächliche Verkehrswert dürfte um einiges darüber liegen. Das lukrative Tauschgeschäft steht kurz vor dem Abschluß. Gut 40 Millionen Mark kann sich Sony dann gutschreiben.
Mit dem vor zwei Jahren geschlossenen Kaufvertrag hatte sich Sony verpflichtet, das auf dem Gelände befindliche Filmhaus Esplanade zu erhalten und langfristig kostengünstig zu vermieten. Die EU-Wettbewerbshüter honorierten diese Zusage, indem sie 42,6 Millionen Mark zu Sonys Gunsten in die Kaufpreisbestimmung einrechneten. Nur aufgrund dieser Berechnung blieb der Preis genau 0,1 Promille unter dem zulässigen Grenzwert, ab dem von einer verbotenen staatlichen Beihilfe auszugehen sei. Mittlerweile ist allerdings von der vertraglichen Zusage nicht mehr viel übriggeblieben. Die Hälfte des Hotels, in dem schon Kaiser Wilhelm frühstückte, wird abgerissen, lediglich ein Abrißstück soll an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Bislang sahen sich die EU-Kontrolleure zu keiner neuerlichen Prüfung veranlaßt. Das könnte sich jetzt ändern, wenn sie von der jüngsten Maßnahme des Senats erfahren.
Denn der Berliner Senat beschloß am Dienstag, die Stellplatzverordnung abzuschaffen. Dem Sony-Konzern wird damit eine Einsparung in Höhe von weiteren 66 Millionen Mark beschert. Laut dieser Verordnung mußten Investoren bislang entsprechend der Größe ihres Bauvorhabens eine bestimmte Zahl von Parkplätzen einrichten oder eine Ablösesumme zahlen. Die Entbindung von dieser Pflicht entspricht durchaus ökologischen Erfordernissen. Wie der Senatsvorlage zu entnehmen ist, hilft sie, „die Lärm- und Abgasemissionen des motorisierten Individualverkehrs und die Versiegelung auf Grundstücken zu verringern“.
Doch auf diese Art wird nicht nur die Umwelt gehegt, sondern auch das Portemonnaie der Investoren gepflegt. Allein bei den Bauvorhaben am Potsdamer Platz ging man von 15.500 notwendigen Parkplätzen aus, 7.700 davon werden voraussichtlich realisiert. Bei einer Ablösesumme von 39.600 Mark pro Stellplatz macht die Differenz 310 Millionen Mark aus, die der Landeskasse entgehen. Sony könnte von dieser Summe etwa 66 Millionen Mark für sich verbuchen, der Rest würde die Kassen der übrigen Investoren Daimler- Benz, Hertie und ABB füllen.
Auch bei den anderen Großbauvorhaben – sei es an der Friedrichstraße oder am Alexanderplatz – werden den Investoren ähnliche Summen erspart bleiben. Mit dieser „Revolution des Bauordnungsrechts“, so erläutert Bausenator Wolfgang Nagel, werde „ein Investitionshemmnis“ beseitigt. Denn man habe es in Berlin „mehr denn je nötig, jedem Investor hinterherzulaufen“. Ganz ungeschoren sollen sie jedoch nicht davon kommen. Als Kompensation für die entgangene Stellplatzablöse, so droht Nagel den Bauherren, müßten sie zukünftig mit Zahlungen nach dem Erschließungsbeitragsgesetz rechnen. Hamburg hat eine ähnliche Regelung getroffen. In die Kasse des Stadtstaates fließen ganze 2,1 Millionen Mark.
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