Kampf bis zum bitteren Ende

Nachdem die Europäische Union den Kali-Fusionsvertrag akzeptierte, heißt es ab 31. 12.: Bischofferode wird geschlossen / Doch die Kali-Kumpel geben nicht auf  ■ Aus Bischofferode Klaus-Peter Klingelschmitt

Der eiskalte Wind, der über das Eichsfeld streicht, hat die Transparente am Werkstor zerfetzt: „Thomas Müntzer lebt!“ steht darauf noch zu lesen – und daß der einfache Mann die Macht bekommen solle (Müntzer). Noch lebt die Kaligrube Bischofferode im Norden von Thüringen, die zu Zeiten von Ulbricht und Honecker nach dem streitbaren Reformator benannt war, tatsächlich. Die Produktion läuft auf Hochtouren: Stündlich wachsen die riesigen Abraumberge, fahren die Kumpel rund um die Uhr „ins Kali“, und nach der Schicht stehen sie Mahnwache am Tor. Doch am 31. Dezember werden die knapp 700 „Kalier“ endgültig ihre letzte Schicht fahren.

„Wir müssen den Kampf bis zum bitteren Ende – oder bis zum süßen Sieg – weiterführen“, sagt Walter Kunze (42) vom Betriebsrat auch nach der Akzeptanz des Fusionsvertrages zwischen der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) und der westdeutschen Kali + Salz AG (Kassel) durch die EU-Kommission in Brüssel. Keiner in Bonn, Kassel oder Sondershausen (MdK) solle glauben, daß die Werktätigen in Bischofferode zum Jahreswechsel freiwillig das Feld räumen würden. Zum Silvesterabend planen sie eine Party auf dem Werkgelände – „und dann bleiben wir alle dort.“

Schnee liegt auf den Höhenzügen rund um Bischofferode. Und die Männer und Frauen, die am Werkstor darauf achten, „daß die MdK hier nichts fortschleppt“, wärmen sich an einem offenen Feuer. „Wir Eichsfelder sind ein zähes Völkchen“ sagt eine ältere „Kalierin“. Man müsse sie „mit der Planierraupe“ von hier fortschaffen, denn: „Ich krieg' doch hier garantiert keine andere Arbeit mehr.“ Und das, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Gerhard Jüttemann, gelte auch für fast alle anderen ArbeiterInnen. Das Versprechen der Landesregierung, für Ersatzarbeitsplätze in der Region zu sorgen, habe sich nämlich als „Windei“ entpuppt. Ministerpräsident Vogel und sein Wirtschaftsminister hätten ein halbes Jahr lang alle in Frage kommenden Investoren angeschrieben: „Ergebnis gleich null.“ Und die von der MdK genannten 200 Arbeitsplätze in Bischofferode, die für Abriß- und Demontagearbeiten auf dem Werksgelände erhalten bleiben sollen, stünden bislang auch nur auf einem „schöngefärbten Papier“. „Die haben doch längst Verträge mit entsprechenden Unternehmen für die Zeit nach der Stillegung und bringen dann ihre eigenen Arbeiter mit.“

„Wir werden von den Politikern und den Vorständen wie Dreck behandelt“, sagt auch Betriebsrat Walter Ertmer (40), bei dem die Infofäden zusammenlaufen. Kapitalismus sei wie Suppe – „die Fettaugen schwimmen immer oben“. Auch nach dem Votum aus Brüssel sei die Entscheidung „noch keine endgültige“, glaubt Ertmer. Die Hoffnung der „Kalier“ hat einen Namen: Johannes Peine aus Nordrhein-Westfalen. Der Unternehmer will Bischofferode nach wie vor übernehmen und Millionenbeträge zur Sanierung der Grube investieren. Doch die MdK ist fest entschlossen, am Schließungstermin festzuhalten. „Wir verstehen das nicht“, sagen die Betriebsräte übereinstimmend. Eine Grube mit „sehr gutem Kali“ und einem „ordentlichen Kundenstamm“ werde geschlossen, obgleich ein Privatier investieren und rund 500 Arbeitsplätze retten wolle. Bei einer Schließung müsse „die Allgemeinheit“ dagegen die Kosten für die Arbeitslosigkeit von 700 Menschen übernehmen.

Die Ausschaltung eines Konkurrenzunternehmens auf dem Kalimarkt läßt Betriebsrat Kunze als Motivation für die Schließung nicht gelten. Schließlich gehöre auch Bischofferode nach der Fusion zur „Familie“. „Ich befürchte, daß wir mit Müll unterfüttert werden sollen – vielleicht sogar mit radioaktivem Abfall.“ Und dieses Geschäft rechne sich dann für MdK und Kali + Salz tatsächlich.