Weihnachtsbangen

■ Familie Panajotov befürchtet zum Fest die Abschiebung

„Meine Kinder stecken mich mit ihrer Weihnachtsstimmung an. Dann schiebe ich unsere Sorgen für eine kurze Zeit beiseite.“ Evtim Panajotov sagt es beinahe fröhlich, seine Frau Lutka nickt zustimmend. Dabei würden Probleme wie ihre anderen ausländischen Familien die Stimmung vor Weihnachten gründlich verderben – sie wissen nicht, ob sie in Deutschland bleiben dürfen.

Die Panajotovs kommen aus Bulgarien. Evtim, promovierter Agrochemiker, reiste vor drei Jahren in die Bundesrepublik ein. Er bekam ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und damit eine Gelegenheit, für eine Zeitlang im Westen zu forschen.

Nach zwei Monaten wurde das hannoversche Institut für Pflanzenernährung auf den begabten Spezialisten aufmerksam und bot ihm einen Arbeitsvertrag für ein Jahr an. Da Evtim hier nicht lange ohne seine Familie leben wollte, kam die Frau mit den drei Töchtern nach. Lutka war zu der Zeit bereits mehrere Monate arbeitslos – in Bulgarien wurde ihr gekündigt, weil sie mit der Politik der Regierung nicht einverstanden war und ihre Ansichten offen aussprach. Die Panajotovs spürten in Deutschland, wie wenig sie mit der Heimat verbindet. „Es ist eine Scheindemokratie bei uns drüben,“ erzählt Evtim. „Die alten Genossen, die Kommunisten, regieren seelenruhig weiter.“ Er spricht von den Zeiten, als sein Vater „Feind des Volkes“ genannt wurde. Weil er sein Sohn ist, habe er keine qualifizierte Arbeit bekommen. Auch indirekte Drohungen habe es gegeben. „Hier ist dein Platz, da sollst du machen – sonst gibt es Ärger,“ hätten „Die“ damals gesagt.

Evtim sah in Bulgarien keine Zukunft für sich und seine Familie mehr. Er wollte nicht wieder zurück. Evtim bemühte sich um eine unbefristete Arbeitserlaubnis in Deutschland, doch als Bürger eines osteuropäischen Staaates hatte er bei den Behörden keine Chance. Auch der Versuch, den Aufenthalt genehmigt zu bekommen, blieb ohne Erfolg. Dann stellte Lutka einen Asylantrag.

Seit zwei Jahren läuft nun ihr Verfahren. „Bis jetzt gab es nur negative Anzeichen“, sagt er. Seit zwei Jahren lebt die Familie mit der Ungewißheit und mit dem unguten Gefühl, eines Tages abgeschoben zu werden. „Dann gehe ich zum Parlament“, überlegt Evtim. „Ich werde alles versuchen, um uns zu retten.“

Am Heiligabend werden die Panajotovs 13 Gerichte zubereiten – so wie es in Bulgarien üblich ist. Salate, gefüllte Weinblätter, Blätterteigtaschen. Nach dem Essen singen die Kinder Volkslieder aus der Heimat. An ihre Wahlheimat Deutschland haben sie sich schon gewöhnt. Aber ein schöner Brauch werde ihnen noch fehlen: In Hannover gehen die Kinder nicht mit Liedern von Haustür zu Haustür, um Süßigkeiten zu bekommen. „Für die Menschen hier würden wir wie Bettler aussehen“, sagt Evtim. „Und das sind wir nicht.“

Alexei Makartsev