Bei Vollmond 01113

■ Was verbirgt die bremische Telekom hinter ihrem Telefondienst für „Allgemeines, Anregungen und Außergewöhnliches“? / Eine Nachforschung

Am Morgen nach Vollmond ist bei der Telekom allerhand los: Rund zwanzig „namentlich bekannte Personen“, so lautet die diskrete Formulierung, wählen dann die Telefonnummer Null-Elf-Dreizehn des Telekomdienstes für Allgemeines, Anregungen und Außergewöhnliches - schließlich firmiert der Telekom- Service im 1993/ 94er Telefonbuch unter „Außergewöhnliches“. Das soll sich allerdings bald ändern, versprechen Pressesprecher Klaus Wendel und Joachim Gröger, der Leiter der Dienststelle mit den drei Anfangs-A's.

Denn: „Eigentlich gibt es nichts Außergewöhnliches“, erklärt der Dienststellenleiter. „Jedenfalls verstehen die Kunden selbst ihre Anliegen nicht als außergewöhnlich.“ Und deshalb wird der Dienst bald Fragen? Probleme? Anregungen? heißen.

Trotzdem gibt es aus Dienststellensicht noch manches Außergewöhnliche: “Wenn der Kunde zum Beispiel mitten ins Kleingartengebiet eine Telefonzelle haben möchte.“ Weil „unser Netz gut und bedarfsgerecht ausgebaut ist, wäre ein solcher Wunsch schon außergewöhnlich.“ Und zur Veranschaulichung erklärt der Dienststellenleiter: „Ich rufe ja auch nicht bei Opel an, weil mein Benziner keinen Diesel tanken kann.“

Im übrigen hat er jedoch jede Menge Verständnis für die rund 160 AnruferInnen täglich, unter denen die zwanzig Vollmond-KundInnen nur eine Minderheit stellen. Ebenso wie die Einsamen. Obwohl: „Solche Anrufe nehmen zu“, sagt Joachim Gröger. Denn die Politik hinterläßt sogar beim Telekom-Service ihre Spuren: „Viele Menschen sind verunsichert. Die Angst, die Telefonrechnung nicht bezahlen zu können, ist meist nur ein Anlaß, um sich die Sorgen von der Seele zu sprechen.“ Die sachliche Information über den Sozialhilfetarif für den Telefonanschluß gehört für die fünf Mitarbeiterinnen und den Leiter dabei zu den leichteren Aufgaben.

Seit gut eineinhalb Jahren arbeitet das Drei-A-Team zusammen. Länger gibt es den Service noch nicht, der sich nicht nur als kostenlos, sondern vor allem auch als kundenfreundlich darstellt: „Wir sind eine Anlaufstelle für ungeklärte Fragen – auch in komplexeren Zusammenhängen.“ Alle fünf Mitarbeiterinnen stammen aus anderen Abteilungen – Sachkenntnis ist eine Voraussetzung für die Information der Kunden. „Ebenso wie der gewandte Umgang mit Menschen“, sagt der Leiter.

Joachim Gröger selbst wanderte vor eineinhalb Jahren aus der Pressestelle zu. Das merkt man ihm heute noch an: In punkto Außendarstellung beherrscht er das Einmaleins der Selbstkontrolle und Sachlichkeit. Muß er auch: Zu ihm werden die schwierigsten Fälle durchgestellt. Bisweilen ohne Vorwarnung: Während der Anrufer die vermeintliche Mitarbeiterin noch unflätig beschimpft, hat die schon die Leitung zum Chef gelegt. Dem brüllt der Kunde nun ins Ohr - und bei allem Verständnis: „Ich muß nicht alles auf mir sitzen lassen.“

Solche Sätze sagt er ganz ruhig und verweist auf die Möglichkeit einer Privatklage und darauf, daß zwar die Musik den Ton mache. Und daß man gerade deshalb manchen Menschen laut begegnen müsse. Denn: „Verärgerten Kunden können sie nicht mit Logik kommen.“

Sein dickster Trumpf heißt trotzdem Sachlichkeit. In deren Namen lädt er manche Kritiker in seine Stube im vierten Stock des Fernmeldeamtes 2 ein. Dort leistet er seine Überzeugungsarbeit, dort stellt er den guten Willen der Telekom dar, und sein Credo lautet: „Der meiste Ärger beruht auf Fehlinformationen.“ Von Beschwerde könne man eigentlich nicht sprechen.

Auch er selbst will sich nicht beschweren. Er hat sich ja für dieses Amt beworben. Und erst ein einziges Mal warf ein agressiver Gast den mitgebrachten Telefonapparat wütend auf den Fußboden im Amtszimmer.

Einfach ist das alles nicht. Aber nein, der Brunnen, der im Zimmer friedlich plätschert, ist nicht zur Beruhigung aufgestellt. Das feuchte Lavagestein diene lediglich der Luftbefeuchtung, weil er den ganzen Tag reden muß. Dieser Vulkan ist schon lange tot. ede