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Von SinnenDieser Preis ist heiß

■ Uni-Theater ausgezeichnet: Preis für „gute Lehre“ macht schlechte Lehrer nervös

Dieser Preis ist heiß. Der Berninghausen-Preis für ausgezeichnete Lehre und ihre Innovation wird alljährlich von der Uni Bremen und ihrem Freundeskreis vergeben und hat Sprengkraft. Denn im Gegensatz zu anderen akademischen Preisen zeichnet dieser nicht den erfolgreichen Forscher, sondern den guten Lehrer, die gute Lehrerin aus. Somit wohnt dieser Auszeichnung ein tückisches Stück Kritik an den Nichtausgezeichneten inne, sie hat einen ausgesprochen appellativen Charakter und wird innerhalb der Uni genauso verstanden. Am Donnerstag abend wurde in einer Feierstunde im Rathaus der diesjährige Berninghausen- Preis verliehen. Das Preisgeld von 10.000 DM teilen sich der Produktionstechniker Prof. Peter Mayr und das „Theater der Versammlung“, personifiziert durch Hochschullehrer Johannes Beck, den Regisseur Jörg Holkenbrink und die Dramaturgin Anne Kehl.

StudentInnen sind die einzigen, die kundige Aussagen machen können über die pädagogischen Qualitäten ihrer Lehrer; folgerichtig schlagen sie die Preisträger vor. Eine Jury aus drei Hochschullehrern, zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern und drei Studenten entscheidet. Claus Aumund-Kopp, Produktionstechnik-Student, beschrieb den ca. zweihundert Gästen seinen guten Professor Mayr so: Er rede klar, benutze Tafel und Kreide statt Dias und Overheadprojektion und erkundige sich fortwährend nach der „notwendigen Klarheit meiner Ausführungen“. Helga Gallas, Konrektorin, hatte sich zur Vorbereitung der Laudatio eigens in ein Mayr- Seminar geschlichen, um zu der hilflosen Formulierung zu finden: Er diskutiere so lange Fallbeispiele, bis die Studenten die aufkommenden Fragen selbst beantworten könnten.

Der Jubel fiel offensichtlich leichter beim „Theater der Versammlung“. Diese „Bremer Versuchsbühne“ durchsetzt mit ihren vielfältigen Aktivitäten inzwischen beachtliche Teile der universitären Lehre. Mit einem offenen, ambitionierten und hochgradig ernstgenommenen Theaterspiel nähert sich das Theater der Versammlung ewigen Themen wie Autorität, Liebe, Fremdheit, um sogleich Zusammenhänge herzustellen mit einschlägig tätigen Seminaren oder außeruniversitären Interessenten. Geradezu überfallartig übernehmen die Theaterleute bisweilen das Kommando in einem Seminar - zum Beispiel einer Veranstaltung über junge Rechtsradikale, wo die Teilnehmer sich plötzlich mit einem äußerst geschickt argumentierenden „Neonazi“ auseiandersetzen müssen.

Insbesondere Jörg Holkenbrink erfährt durch diesen Preis nach Jahren der Mißachtung die längst fällige inneruniversitäre Aufwertung, nachdem Bund und Land sein Theaterprojekt bereits vor einem Jahr als „Modellprojekt“ würdigten. Bis zuletzt versuchte besonders der Studiengang Kulturwissenschaften, die Auszeichnung dieses Projekts zu verhindern. Womöglich warf Johannes Beck in seiner Dankesrede Licht auch in diese Richtung, als er bei seiner Kritik der geplanten Hochschulreform fragte: „Welche nekrophile Furcht vor der Freiheit - auch der eigenen - treibt die Kontrolleure der Wissenschaft auch in den Universitäten um?“

Kaum ein Redebeitrag kam am Zusammenhang zwischen guter Lehre und den entsprechenden Rahmenbedingungen vorbei, die durch die „Hochschulreform“ noch eingeschränkt zu werden drohen. Ein Trüppchen junger StudentInnen („Wir wollen nicht stören“) unterbrach die Feierlichkeiten kurz und anrührend: „Macht uns nicht zu Fachidioten!“ skandierten sie, ja „gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu tragen“, riefen sie, sei ihr Ziel.

Und so gestaltete sich die Preisverleihung durchaus als Schulterschluß zwischen jungen Bewegten und alten Recken der „Reformuni“. Vorjahres-Preisträgerin Annelie Keil gab das Stichwort, mit dem man um Reputation bangenden Forschergeist prima ärgern, frustrierte HochschullehrerInnen in die Schützengräben treiben, „gute Lehre“ dafür umso besser umschreiben kann: Wissenschaft mit allen Sinnen.

Geradezu folgerichtig, daß das Theater der Versammlung den Scheck des Bremer Holzbarons Berninghausen mittels eines rauschenden Festes verprassen will.

Burkhard Straßmann

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