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: Blinde Gewalt

■ Brutalität nimmt zu

In der Bewegung der Immigrantenjugend, die sich am Ende der 70er Jahre in Frankreich herausgebildet hat, ist die Gewalt ein Grundelement und eine Konstante. Daran hat auch der Rummel nichts geändert, der um die kulturelle Elite dieser beurs, der Immigranten der zweiten Generation, beziehungsweise um die Integration der „natürlichen Anführer“ in den Vorortsvierteln gemacht wurde. Heute bestimmt die Gewalt der „Kleinen Brüder“ der beurs, aber auch die einer neuen Generation Schwarzer, die sich als „Zulus“ bezeichnen, die Chronik der gefährlichen Vororte. Diese Gewalt ist härter als in der Vergangenheit. Ihr apokalyptischer Charakter ist bedingt durch das immer niedrigere Alter der Jugendlichen und durch ihren plötzlichen und unvorhersehbaren Ausbruch. Es ist eine unbestimmte, wütende, individuelle Gewalt, ohne die früheren Bezugspunkte. Die Jungen von 10 bis 23 Jahren schlagen blindlings um sich: gegen die Polizei, die Händler, die Lehrer, die Nachbarn, aber auch untereinander, in der Schule oder im Wohnblock, wegen Klamottenklau, Mädchengeschichten oder wegen eines Stückchens Shit. Die Drogen haben die Vororte überschwemmt und die Formen der Gewalt und der Kriminalität verändert, sie haben natürliche Solidarität, vor allem durch die Familie, aufgelöst. Jungs von 10 bis 13 werden als Drogentransporteure oder als Wachen eingesetzt, sowohl um den Kunden in Schach zu halten als auch um die Ankunft der Polizei anzukündigen. Es geht um das leichte und schnelle Geld im Kampf aller gegen alle. Um die Spannung noch weiter zu verstärken, vervielfältigt der Übergang vom Haschisch zum Kokain, das inzwischen von den jungen Arbeitslosen in den Vororten genommen wird, noch weiter die Aggressivität.

Angesichts des Mangels an familiärer oder institutioneller Vermittlung, um die sozialen Beziehungen mit den „Kleinen Brüdern“ wiederaufzubauen, folgen die französischen Behörden den Schritten ihrer britischen Kollegen und kriminalisieren die Kinder und ihre Eltern. Die jungen Moslems in den Vororten, die sich wieder auf moralische Werte beziehen, stellen hier eine fast unerwartete Rettung dar, auch wenn sich hinter ihren reinen Absichtserklärungen immer häufiger uneingestehbare Mittel anfinden, wie etwa der trabendo (kleine Geschäfte jeglicher Art).

Die Leute, die in einer gewissen Massengewalt, in gewissen Formen der Kriminalität einen sozialen Grund sahen, schweigen, als wären sie durch zehn Jahre sozialistischer Regierung betäubt. Und sie schließen die Augen vor all diesen Immigrantenkindern, die noch immer eine ausländische Staatsangehörigkeit haben und die ausgewiesen werden, weil sie in einem bestimmten Augenblick eine kriminelle Aktion „made in France“ durchgeführt haben. Mogniss H. Abdallah

Mitglied der französischen Immigrantenmedienagentur agence IM'media