Welt am Draht

■ James Belushi in virtuellen Bredouillen: „Wild Palms“

Das sepiarote Sonnenlicht der US-amerikanischen Westküste beleuchtet ein adrettes Mittelstandsnirwana: hübsche Villen im Landhausstil, gepflegte Vorgärten, vom lauen Wind gezauste Palmen. Die Idylle wird nur geringfügig getrübt, eine kleine Gruppe formell gekleideter Herren schlägt auf dem makellosen Rasen soeben einen Mann zusammen.

Harry Wyckoff (James Belushi) beoachtet das Geschehen leicht irritiert, lenkt sein schnittiges Kabrio aber weiter in Richtung Büro. Er arbeitet als Anwalt in einer bedeutenden Kanzlei, sein Leben ist geregelt, mit Frau und Kindern residiert er im feudalen Eigenheim. In letzter Zeit allderings häufen sich die Menetekel und belasten Wyckoffs Seele. Er hat erschreckende Alpträume, seine Frau Grace (Dana Delany) leidet unter depressiven Schüben und ist plötzlich davon überzeugt, daß ihr Sohn Coty als Baby vertauscht worden sei. Schließlich verweigert sich auch noch Tochter Deirdre zu sprechen.

Als der Anwalt den Medienzar Tony Kreutzer kennenlernt, der mit holographischen Programmen das Fernsehen revolutionieren will, vermischen sich Illusion und Realität immer öfter. Erst nach und nach erkennt Wyckoff, der mittlerweile als Justitiar für Kreutzers „Wild Palms“-Imperium in die Machenschaften des Konzerns verstrickt ist, daß er und seine Familie seit Jahren bereits Marionetten im Spiel des machthungrigen Magnaten sind.

Der Mehrteiler „Wild Palms“, in den USA im Mai als „Straßenfeger“ gefeiert, basiert auf einem Comic strip von Bruce Wagner, der in der Manier eines „Kafka on Acid“ auch das Drehbuch geschrieben hat und gemeinsam mit Oliver Stone als ausführender Produzent fungiert. Die ausgeklügelte Farbdramaturgie, die konsequent durchstilisierten Tableaus, von den Regisseuren Kathryn Birgelow, Phil Joanou, Keith Gordon und Peter Hewitt als surreale Phantasmagorien inszeniert, legen nahe, die als TV-Ereignis gefeierte Miniserie mit „Twin Peaks“ zu vergleichen.

Doch wo bei David Lynch und Mark Frost das Geschehen in schwasiger Metaphysik versandete, bleibt Bruce Wagner nah an der Realität. Sein bizarrer Thriller, angesiedelt im Jahre 2007, rankt sich um die heute schon beinahe ausgereifte, teils in Erprobung befindliche schöne, neue Medienwelt aus dreidimensionalem Fernsehen, Virtual Reality und halluzinogenen Drogen, um Manipulationen, Machtstreben und den Griff nach der Unsterblichkeit. Ein bonbonfarbener Horrortrip, der so utopisch gar nicht mehr ist. Harald Keller

RTL 2, 18. bis 20. Dezember, jeweils um 22.00 Uhr