Wackere Labertaschen

■ Das prangern wir an: Die neue Buchreihe „Querköpfe“, in der Uta Ranke-Heinemann und Gregor Gysi porträtiert werden

Attribute, die in übleren Zeiten Lebensgefahr signalisierten, lassen sich Rumpumpelköpfe und TV- Dauer-Quengler nur zu gerne an die weiße Weste heften; sog. Hexen, Querköpfe und Ketzer hatten noch nie eine bessere Presse als in den neunziger Jahren. Und weil es so schön ist, sich einzubilden, man bzw. frau stehe wacker auf Giordano Brunos und Jeanne d'Arcs verkohlten Schultern und könne den Blick weit hinaus über den Tellerrand der Märtyrergeschichte schweifen lassen, hat der Verlag Elefanten-Press die Buchreihe „Querköpfe“ erfunden und von Hans-Dieter Schütt sofort die laut Buchrücken als „Hexe“ klassifizierte Betriebsnudel Uta Ranke- Heinemann porträtieren lassen.

Frau Ranke-Heinemann verdankt ihr hexisch querköpfisches Renommee erstens ihrem Namen und zweitens dem Umstand, daß sie mit dem Aberglauben an die Pfannkuchenbeschaffenheit der Erde und die jüngfräuliche Empfängnis gebrochen hat; vulgo: daß sie in der Lage ist, 2 + 2 korrekt zu addieren. Diese sensationelle Begabung rechnet ihr die kritische Öffentlichkeit samt Elefanten Press hoch an. „Kritisch katholisch“, „unglaublich ungläubig“ und „ketzerisch komisch“ sei Uta Ranke-Heinemann, heißt es auf dem Buchrücken, und Hans-Dieter Schütt präzisiert: „Eine Frau von bohrender Vitalität.“ Das Bohrende und Beißende macht sich in ihren Äußerungen brisant bemerkbar: „Was wir brauchen, ist ein Mut zur Menschlichkeit, der alle Menschen einschließt.“ Besser ist das: „Wollen wir menschlich miteinander leben, müssen wir uns immer wieder an den Anfang zu Besserem wagen.“ Schwer zu singen und zu sagen, wo genau hier das radikal Querköpfische ins vollends Quatschköpfische umschlägt. Für Hans-Dieter Schütt steht jedenfalls fest, daß Uta Ranke-Heinemann eine „beißende Spötterin“ sei, eine „verkappte, verkannte Kabarettistin“, ja, eine „sokratische Sucherin zwischen den Religionen“, die mit „satirischem Sinn“, mit ihrem hellen „Jungmädchenlachen“, aber auch „mit existentieller Ehrlichkeit und überzeugender Subjektivität“ für das Gute und gegen das Böse kämpfe, und zwar „kräftig, spitz“, „agil“, „provozierend“, „leidenschaftlich“ und „mitreißend“, woraus erhellt: „Wenn Frau Professor lacht, wird die Küche noch heller.“

Das ist schön. „Ich bin sozusagen meine eigene Päpstin“, freut sich die ebenso erleuchtete wie leuchtend lachende Labertasche. Aber Uta Ranke-Heinemann kann sich auch triefend besinnlich geben.

Dann sieht sie Pferde kotzen, hört das Gras wachsen und Planeten weinen: „Und das von Menschen geschaffene Sterben der Kreatur, die toten Tiere und die toten Pflanzen, sie sind nicht nur die stumme Folge menschlichen Verbrechens, sie sind das laute Weinen der Erde über ihr Elend.“ Tränen lügen doch. Darüber hinaus ist dem Buch zu entnehmen, wie goldig Uta Ranke-Heinemanns Söhne seien („ganz goldige Menschen“), und wo sie ihren ersten Kuß erhielt („Auf einer Parkbank am Moltkeplatz in Essen-Süd“). Die schmerzhaft krachende Vulgarität solcher Mitteilungen hat den Verlag nicht davon abgehalten, bei Wolfgang Sabath gleich noch einen Band nachzubestellen. Sabath stellt Gregor Gysi als Querkopf vor, beschreibt ihn aber auch als „Bilderbuchvater“ und als „sinnenfrohe Leitfigur, die auch von Frauen gemocht wird“. Hört, hört! In der Rubrik „Gysi von A bis Z“ stehen besonders dämlich die Eintragungen unter Q („Q: Querkopf, s. Gysi“) und N („N: Nizza. Dort verbrachten Monika K. und G. 1993 14 Urlaubstage“) hervor.

Schon stehen neue Querköpfe Schlange, um in der schlurigen Buchreihe porträtiert zu werden. Das wird hart. All die vermeintlich unbequemen, zwischen allen verfügbaren Stühlen sitzenden Rebellen und Discount-Ketzer haben auch nichts anderes verdient – Heiner Geißler, Udo Lindenberg, Friedrich („Schorle“) Schorlemmer, Wolfgang Niedecken, Hans Scheibner, Norbert Blüm, Michael Ende, Margarete Mitscherlich, Paul Breitner...

Wir merken uns: Ist er hohl und strotzend leer, legt der Kopf sich gerne quer. Gerhard Henschel

„Querköpfe“. Herausgegeben von Marina Achenbach und Hans-Dieter Schütt, Elefanten Press.

Bisher erschienen: Hans-Dieter Schütt: „Uta Ranke-Heinemann“, 126 Seiten. Wolfgang Sabath: „Gregor Gysi“, 126 Seiten. Je 19,90 DM.