Israelische Siedler im Gegenwind

Regierung warnt vor Provokationen gegenüber Palästinensern in den besetzten Gebieten und veröffentlicht Verordnungen der Militärbehörden und Vollmachten der Polizei  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Veranstaltung sei nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben, sagten israelische Siedler gestern. Am Donnerstag hatte das Militär eine Prozession – formal zu Ehren der Installierung einer neuen Torah-Rolle in einer religiösen Schule – in der palästinensischen Stadt Nablus verhindert. Die Schule liegt an Josefs Grab inmitten von Nablus. Angeblich hat das Militär die Erlaubnis für den neuen Prozessionsversuch am kommenden Dienstag gegeben, „vorausgesetzt, daß die Sicherheitslage das Fest dann möglich macht.“

Meir Indor, ein Sprecher der Siedler, protestierte gegen eine Erklärung der Unterrichtsministerin Schulamit Aloni, worin das geplante national-religiöse Fest in Nablus als Provokation bezeichnet wurde. „So weit sind wir also gekommen, daß die Installierung einer Torah am Grab unserer Patriarchen von einer Ministerin als Provokation bezeichnet wird, nur weil Araber das so sehen“, klagte Meir Indor. Aloni hatte darauf hingewiesen, daß die bewaffneten Siedler, „die wissen, wie man Pogrome durchführt“, in Nablus nur Konflikte mit der palästinensischen Bevölkerung hervorrufen können und deshalb an diesem Unternehmen gehindert werden sollten.

Vorher hatten die Führer der Siedler die Veröffentlichung einer Broschüre verurteilt, in der die Militärbehörde verschiedene Verordnungen zusammenfaßt, die das Verhalten der Soldaten in den besetzten Gebieten gegenüber Palästinensern und jüdischen Siedlern regeln. Darin heißt es, daß die Soldaten unter bestimmten Umständen auch angemessene Gewalt anwenden dürfen, um Siedler festzunehmen und sie der Polizei zu übergeben. Die Armee sei berechtigt, ein Ausgehverbot für die arabische ebenso wie für die jüdische Bevölkerung zu verhängen.

Die Broschüre beschreibt auf 14 Seiten die Vollmachten des Militärs und der israelischen Polizei in den besetzten Gebieten. Gegenwärtig hat – in Abwesenheit eines Polizisten – auch ein Soldat das Recht, einen israelischen Siedler zu verhaften, wenn dieser die öffentliche Ordnung stört. Der Siedler oder die Siedlerin ist dann jedoch den israelischen Polizeibehörden zu übergeben, da Siedler dem israelischen Zivilrecht unterstehen, während für Palästinenser nur militärische Gerichte und Verordnungen der Besatzungsmacht gelten.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses der Knesset, Dedi Zucker vom Merez-Block, sagte, die neue Zusammenfassung der Verordnungen sei angesichts „der Änderung in der Atmosphäre“ in den besetzten Gebieten notwendig geworden, wo das Recht in der Vergangenheit zugunsten der Siedler ausgelegt wurde. Die Veröffentlichung und das neue straffere Verhalten des Militärs gegenüber der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten ist offenbar eine Warnung an die Siedler, deren Aktionen jetzt nicht nur die palästinensische Bevölkerung, sondern auch die Interessen der Regierung in Gefahr bringen.