Peer G. im Irrenhaus

■ Musik zu Peer Gynt in der Musikhalle

Sir Neville Marriner behielt Recht: Alfred Schnittkes Epilog-Musik (1987) zum Ballett Peer Gynt bereitete dem Publikum am Freitag in der Musikhalle einige Probleme. Was den ballettunkundigen Zuhörern so friedlich als Epilog angekündigt wurde, entpuppte sich als musikalisch extrem dichter und tiefschwarzer Wahnsinnsepilog, der sich dynamisch bis an die Schmerzgrenze herantastet, um dann im Schnittkeschen Katastrophengestus zu zerplatzen.

In dem von John Neumeier choreographierten und in enger Zusammenarbeit mit Alfred Schnittke entstandenen Ballett Peer Gynt, wird nicht einfach die Geschichte des faustischen Weltenbummlers erzählt, sondern auch die Identitätskrise eines rigorosen Aufsteigers inszeniert. Der psychologische Showdown findet statt im vierten Akt, im Epilog. Dieser Wahnepilog gestaltet sich als dreißigminütiger Adagio-Satz, der konstant im 6/8 Rhythmus gepulst, einen unruhigen tänzerischen Drall verrät. Schnittke hat sich zum Wahndelirium Peer Gynts einen „Schattenklang“ vorgestellt, der im Unterbewußtsein des Zuhörers rumoren soll. Der NDR-Chor hatte extra für diesen Zweck eine Neueinspielung produziert, die im Konzert vom Tonband lief. Es ist aber meist so, daß ein Programm auf dem Papier origineller wirkt, als in der rüden Konzertsaalwirklichkeit. Man sah ein etwas verschüchtertes Publikum, das von Schnittkes finsterer Seelenkatastrophe förmlich erschlagen wurde. Das NDR-Sinfonieorchester saß sicher im Sattel, ließ sogar erkennen, daß es gerne öfters einmal so richtig aufdrehen möchte. Sir Neville, der sehr sorgfältig mit dem Orchester geprobt hat, hat den Epilog etwas zügiger dirigiert, als es zum Beispiel in den Ballettaufführungen üblich ist. Das hat aus dem Stück ein gewalttätiges, aber dafür eigenständig wirkendes Konzertstück geformt. Nach der Pause kam die gut eineinhalbstündige komplette Griegsche Schauspielmusik zu Peer Gynt, die dem freudig gespannten Publikum als wohlvertrauter Geschichtenreigen vorgespielt wurde. Die nicht ganz zu unrecht vernachlässigte Komplettversion bietet neben den unsterblichen Hits (“Solveigs Lied“, „Morgenstimmung“, „In der Hütte des Bergkönigs“) kaum mehr als ein paar biedere symphonische Füllsel auf. Verstärkt durch den pathetischen Vortrag der beiden Erzähler entstand so die Atmosphäre eines Weihnachtsmärchen. Warum auch nicht. Sven Ahnert