Zwangsarbeit für Sozialhilfebezieher angedroht

■ Sozialamts-Leitung wollte Bundesvorschrift durchsetzen / Heftiger Widerstand von unten

Knapp 1,90 Mark die Stunde, höchstens 10 Mark am Tag – das ist der Lohn, für den SozialhilfeempfängerInnen arbeiten, wenn sie vom Sozialamt dazu verpflichtet werden. Rund 300 der 28200 Personen, die in Bremen vom Sozialamt „Hilfe zum Lebensunterhalt“ beziehen, arbeiten zur Zeit – bisher noch freiwillig – unter diesen Billigstlohn-Verhältnissen. Noch haben die Bremer Sozialämter die Änderung des Bundessozialhilfegesetzes, die seit Juli die Vergabe solcher fast unbezahlter Hilfsarbeiten vorschreibt, ignoriert. Doch das könnte schon bald anders werden.

Ende November hat die Sozialamts-Leitung in einem Rundbrief an die Personalräte schon einmal schriftlich klargestellt, daß aus der früheren „Kann-Bestimmung“ inzwischen eine „Soll-Vorschrift“ geworden ist. „Bekanntermaßen sind bei Soll-Vorschriften nur Abweichungen von der Rechtsnorm zu begründen“, heißt es in dem Brief. Gemeint ist damit: Jede Sozialamts-Sachbearbeiterin, die einen Sozialhilfe-Fall nicht in eine solche Pflichtarbeit steckt, muß dafür eine schriftliche Begründung liefern.

Hinter den Kulissen hat diese Ankündigung für reichlich böses Blut gesorgt. Einzelne Sachbearbeiterinnen, die bereits im Vorfeld darauf hingewiesen haben, daß sie von einer Verpflichtung zur Vergabe von Pflichtarbeiten überhaupt nichts halten und sie notfalls einfach boykottieren würden, seien von ihren Vorgesetzten gemaßregelt worden, berichtet die DGB-Vorsitzende Helga Ziegert. „Wenn Ihnen das nicht paßt, können Sie ja gehen“, sei einzelnen Sachbearbeiterinnen erklärt worden.

Derartige Vorfälle bestreitet der zuständige Abteilungsleiter im Sozialressort, von Bargen. Die Vergabe der Billig-Arbeiten geschehe bisher in Bremen auf rein freiwilliger Grundlage. An der Zahl von ca. 300 dieser Arbeitsverhältnisse, die allesamt von der „Werkstatt Bremen“ organisiert würden, habe sich seit längerem nichts geändert. „In Vorbereitung ist lediglich die stärkere Einbeziehung von Asylbewerbern in diese Arbeiten“, erklärt von Bargen.

Tatsächlich scheint der schnelle Widerstand gegen die erste Ankündigung, aus der freiwilligen könnte demnächst eine Zwangsarbeit für SozialhilfeempfängerInnen werden, an der Behördenleitung nicht spurlos vorbei gegangen zu sein. Eine bereits avisierte Dienstanweisung in diese Richtung ist jedenfalls bisher doch noch nicht ausgegeben worden.

Vorbeugende Argumentationshilfe hat dafür auch der DGB in einer Presseerklärung gegeben. „Sogenannte Pflichtarbeit kann leicht den Charakter von Zwangsarbeit bekommen und verstößt gegen die Menschenwürde“, erklärt darin DGB-Chefin Ziegert. Zudem würden mit solchen ungeschützten Billiglohn-Arbeiten „geltende Arbeitsschutzvorschriften ebenso ausgehebelt wie die gesetzlichen Bestimmungen zum Mutterschutz, zur Arbeitszeit und zum Erziehungsurlaub“. Es bestehe die Gefahr, „daß den auf Sozialhilfe angewiesenen Arbeitslosen ein schutzloser Status zugewiesen wird und sie per Pflichtarbeit mißbraucht werden, regulär sozial und tariflich abgesicherte und bezahlte ArbeitnehmerInnen zu verdrängen“.

Dirk Asendorpf