Ohne Privatisierung kein Geld

Altschuldenhilfe der Bundesregierung nur bei Verkauf von 15 Prozent der Wohnungen / Bis Jahresende müssen in Ostberlin Konzepte für die Privatisierung von 50.000 Wohnungen vorliegen  ■ Von Uwe Rada

Den Gang nach Karlsruhe hat unlängst die Wohnungsbaugenossenschaft Hellersdorfer Kiez angekündigt. Der Grund: Im Rahmen der von Bonn in Aussicht gestellten Schuldenhilfe für die Wohnungsunternehmen in der ehemaligen DDR müssen 15 Prozent des Wohnungsbestandes privatisiert werden. Ohne Privatisierung kein Geld, betont die Bundesregierung. Erpressung, meint dagegen die Genossenschaft. Das Bundesverfassungsgericht soll nun klären, ob das umstrittene „Altschuldenhilfegesetz“ rechtswidrig in die Grundrechte des Genossenschaftseigentums eingreift.

Mit der Übernahme der Kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV) zur Währungsunion am 1.Juli 1990 haben die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein schweres Erbe angetreten. Der Schuldenberg, der auf den Neubauten der Gesellschaften, aber auch zahlreicher Wohnungsgenossenschaften liegt, beläuft sich mittlerweile auf 59 Milliarden Mark. Daß es sich tatsächlich um Schulden der Wohnungsunternehmen handelt, daran besteht in Bonn kein Zweifel. Freiwillig aufgenommene Kredite für den Wohnungsbau seien keine Subentionen, heißt es aus dem Bundesbauministerium. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Mieterbund (DMB) vertreten hingegen die Auffassung, daß es sich bei den Neubaukrediten für KWVs und Genosenschaften um einen Staatskredit der DDR gehandelt habe, für dessen Tilgung nun der Bundeshaushalt aufkommen müsse.

Die Überlegung, einen Großteil der Schulden auf die Mieter selbst umzulegen, wie es Bauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) noch 1992 erwogen hatte und was in Berlin zu einer Mieterhöhung von fünf Mark je Quadratmeter geführt hätte, ist mit dem Altschuldenhilfegesetz, das die Bundesregierung im Rahmen der „Solidarpakt“-Pakets erlassen hat, nun endgültig vom Tisch. Nun gilt die Option, den Wohnungsbestand in den neuen Ländern schnellstmöglich in eine „marktwirtschaftliche Wohnungswirtschaft“ zu überführen, sprich: zu privatisieren. Bis zu einem Sockelbetrag von 150 Mark pro Quadratmeter übernimmt der Bund dafür die Schulden der Wohnungsunternehmen, die sich allein in Berlin durchschnittlich auf 440 Mark pro Quadratmeter belaufen. Im Gegenzug müssen sich die Wohnungsunternehmen bereit erklären, 15 Prozent ihres Wohnungsbestandes in den kommenden zehn Jahren zu privatisieren. Vorrangig an die Mieter, wie es heißt, und zu einem Preis, der derzeit nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) nur selten unter 2.000 Mark pro Quadratmeter liegen dürfte. Die für die Privatisierung erforderlichen Konzepte, so das Gesetz, müssen bis zum Ende dieses Jahres vorliegen. Dann nämlich endet das Altschuldenmoratorium, das die Vermieter bisher von der Tilgung der Schulden und Zinsen befreit hatte.

In Ostberlin sind von der Altschuldenproblematik etwa 270.000 Wohnungen betroffen. 55.000 von ihnen sollen in den nächsten Jahren den Besitzer wechseln, 35.000 aus dem Bestand der städtischen Gesellschaften sowie 15.000 Genossenschaftswohnungen. Während die Wohnungsbaugesellschaft in Hohenschönhausen derzeit vor allem auf den Verkauf ehemals bezirklich genutzter und nun leerstehender Plattenbauten setzt, hat man in Hellersdorf, mit 5.700 zu verkaufenden Wohnungen überdurchschnittlich betroffen, bereits mehrere Modelle entwickelt. Kernstück ist die Gründung einer treuhänderischen Tochtergesellschaft, die zum Verkauf stehende Wohnungen sanieren und in einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren sozialverträglich an die Mieter verkaufen soll. Der Kaufpreis für eine Wohnung soll zwischen 120.000 und 150.000 Mark betragen. Außerdem wird in Hellersdorf an die Gründung einer befristeten Genossenschaft gedacht, die zum Ziel hat, den jetzigen Mietern den Kauf ihrer Wohnungen durch die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen zu ermöglichen.

Die Konflikte indes sind bereits vorprogrammiert. Trotz aller sozialverträglichen Mieterkaufmodelle befürchten die Wohnungsunternehmen mit zunehmender Privatisierung eine Entwertung ihres Bestands. Denn nur der gut erhaltene Bestand dürfte ohne Probleme tatsächlich an die Mieter gebracht werden können, während die erneuerungsbedürftigen Wohnungen weiter auf den Geldbeutel der Gesellschaften drückten. Und der Verkaufserlös, so will es die Bundesregierung, bleibt nicht ausschließlich in den Händen der Wohnungsgesellschaften. Ein Teil davon muß als zweites Dankeschön an den Bundeshaushalt abgegeben werden. Und hier heißt es sich sputen. Wer noch 1994 verkauft, darf 80 Prozent des Preises behalten, wer sich bis zum Jahre 2003 Zeit läßt, zieht mit 10 Prozent den kürzeren. Ein Großteil der zu veräußernden Wohnungen wird möglichst schnell auf den Markt geworfen werden. Mit dem Problem der notwendigen und teuren Instandsetzungen der meist maroden Wohnungen haben sich dann die künftigen Eigenheimbesitzer herumzuschlagen.