■ Mit Steuereinsparungen auf du und du: Die Stripper von der Börse
Frankfurt/Main (taz) – Die Börsenpolizei kommt nach Frankfurt. Der vom hessischen Wirtschaftsminister Ernst Welteke (SPD) eingesetzte Oberaufseher in Deutschlands Finanzplatz Nr. 1 wartet schon sehnsüchtig auf die Verstärkung. An den Kragen gehen soll es den sogenannten Dividendenstrippern.
Steht bei einem Großkonzern eine Dividendenausschüttung an, verkaufen die Großaktionäre – oftmals die großen Banken – ihre Aktienpakete nur wenige Stunden vor der Dividendenzahlung an einen Börsenmakler oder an einen ausländischen Partner – um sie gleich nach der Dividendenauszahlung wieder zurückzukaufen. Der Sinn der branchenüblichen Übung: Der Makler muß weniger Steuern für die Dividenden zahlen als die mit Höchststeuersätzen belegten Banken. Und weil die Aktienpakete der Banken milliardenschwer sind, werden Millionen an Steuern gespart – und den Börsenmaklern, die bereitwillig die Strohmänner spielen, fallen dafür ein paar große Scheine in die Taschen.
Als Welteke deshalb Ende 1991 anordnete, daß die Frankfurter Börsenmakler alle Aktienkäufe unmittelbar vor den Dividendenzahltagen offenzulegen hätten, gab es bei den Börsianern einen kollektiven Aufschrei. Man beauftragte die renommierte Anwaltskanzlei Weinberger, Sottung und Partner mit der Erstellung eines Gutachtens zur Rechtmäßigkeit des Dividendenstrippings. Diese kam zu dem gewünschten Schluß, daß das Stripping nur dann als Steuerhinterziehung bezeichnet werden könne, wenn die Steuerpflichtigen „besondere Verschleierungshandlungen“ begehen würden. Doch aus dem Stripping haben die Stripper nie ein Geheimnis gemacht – und dürften deshalb laut Gutachten weiterstrippen. Minister Welteke sieht das anders, und auch in Bonn stand das Thema angesichts leerer Kassen plötzlich auf der Tagesordnung. Zwar wollte die Bundesregierung auf Druck der Bankenlobby einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrates noch verwässern. Doch nachdem der Spiegel die Banker in einem süffisanten Artikel bloßgestellt hatte, akzeptierte die Bundesregierung den Bundesratsentwurf doch noch, und der ist inzwischen geltendes Gesetz. Doch damit gibt sich die Bankenlobby noch lange nicht geschlagen. Über das noch im Gesetzgebungsverfahren steckende Steuerbereinigungsgesetz soll das Anti-Stripping-Gesetz sang- und klanglos wieder ausgehebelt werden. kpk
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