Kniefall vor der Chemie-Lobby

Turbo-Kühe ab 1995 auch in europäischen Kuhställen / Agrarminister der EU votieren für den Einsatz des Rinderwachstumshormons BST / Drastische Absatzeinbußen bei Milch befürchtet  ■ Von Wolfgang Löhr

In dem jahrelangen Streit um die Zulassung der gentechnisch hergestellten Milchdroge rBST, des Rinderwachstumshormons, haben die Agrarminister der Europäischen Union (EU) jetzt dem Druck der Chemie-Lobby nachgegeben. Das umstrittene rBST, mit dem angeblich die Milchleistung der Kühe um bis zu 30 Prozent gesteigert werden könne, soll nach dem Beschluß der Agrarminister ab 1995 auch in den Kühställen der EU eingesetzt werden dürfen.

Man wolle nach dem erfolgreichen Abschluß des Welthandelsabkommens Gatt möglichen Handelskonflikten mit den USA aus dem Wege gehen, heißt es zur Begründung des überraschenden Beschlusses. Dort hatte die Food and Drug Administration (FDA) erst vor wenigen Wochen trotz zahlreicher Proteste grünes Licht für den Einsatz von rBST gegeben.

Mit ihrem Beschluß hat die Ministerrunde den Vorschlag der EU-Kommission verworfen. Diese hatte für eine Verlängerung des Verbotes um weitere sieben Jahre votiert. Die EU-Kommission hatte sich gegen den Leistungssteigerer ausgesprochen, weil sie soziale Nachteile für Erzeuger und Verbraucher befürchte. Umfragen hatten ergeben, daß der Einsatz von rBST zu verändertem Kaufverhalten bei den Verbrauchern führen könne. Die Folge könnten Verkaufseinbußen von bis zu 20 Prozent sein.

Auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments hatten sich erst vergangene Woche für ein Verbot bis zum Jahre 2000 ausgesprochen. Die Europaabgeordnete der Grünen Hiltrud Breyer kritisierte den Beschluß der Agrarminister als „Kniefall vor der BST- Lobby“. Der Einsatz der Milchdroge sei „mit erheblichen Risiken verbunden“, so Breyer, die Tiere erkrankten viel häufiger an Euterentzündungen und müßten mit Antibiotika therapiert werden. Als Rückstände seien diese dann in der Milch zu finden und könnten „allergische Reaktionen bei Menschen auslösen“. Völlig ungeklärt ist auch, ob ein in der Milch verstärkt zu findender insulinähnlicher Wachstumsfaktor zu einer Gesundheitsgefährdung der Verbraucher führen könne.

Für den Vizepräsidenten des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, den Grünen Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, ist der Kampf um rBST nicht verloren: „Das Verbot von rBST ist durchsetzbar, wenn die Ablehnung seitens der Bauern- und Verbraucherorganisationen aufrechterhalten bleibt.“ Nur so sei der „Teufelskreis der Überproduktion und des damit verbundenen sozialökologischen Dumping“ zu durchbrechen.