Kasse machen in Sachsen-Aufhalt

Wieder einmal eine „ungeklärte Rechtslage“ in Magdeburg: Jahrelang kassierten die Staatssekretäre von Sachsen-Anhalt unrechtmäßig eine Amtszulage von 1.000 Mark im Monat  ■ Aus Magdeburg E. Löblich

Hand aufhalten – das ist eine der wesentlichen persönlichen Befähigungen, die Bewerber um hohe Regierungsämter in Sachsen-Anhalt mitbringen müssen. Nachdem Ex-Regierungschef Werner Münch und drei seiner fünf West- Minister über unrechtmäßig hohe Gehälter gestürzt sind, gerieten jetzt die Staatssekretäre des Landes in die Schlagzeilen. Ohne Rechtsgrundlage, so die Vorwürfe des Spiegel, kassierten sie über Jahre eine monatliche Amtszulage in Höhe von rund 1.000 Mark.

„Es gibt eine ungeklärte Rechtslage“, das war wieder einmal alles, was der amtierende Regierungssprecher Dietrich Pawlowski nach den ersten Meldungen zur neuerlichen Gehälteraffäre einräumen mochte. Dabei ist die Rechtslage wieder einmal völlig eindeutig. Für die Bezahlung der Staatssekretäre in Sachsen-Anhalt wie im übrigen Neufünfland gilt die „2. Besoldungsüberleitungs- Verordnung“ des Bundes von 1991. Damit behält sich der Bund vor, bis Ende 1994 die Bezahlung der politischen Spitzenbeamten im deutschen Osten selbst zu regeln. Und eine Amtszulage für Staatssekretäre ist in dieser Verordnung einfach nicht vorgesehen. Sachsen- Anhalt zahlte sie trotzdem, das Finanzministerium in Magdeburg beruft sich auf eine Fußnote im eigenen Landesbesoldungsgesetz.

Auch ein Schreiben vom Bonner Innenstaatssekretär Franz Kroppenstedt, der den Magdeburger Kassenwarten mitteilte, daß die Amtszulage für Staatssekretäre „nicht mit Bundesrecht vereinbar ist“, konnte den Geldsegen nur vorübergehend stoppen. Schon im Juli 1991 teilte Kroppenstedt den Magdeburgern seine Bedenken mit, erst im September 1992 bequemte sich das Finanzministerium, die Zahlung der Zulage auszusetzen. Und nahm sie im November 1993 wieder auf. Und nicht nur das: So kurz vor dem Weihnachtsfest durften sich die 14 Staatssekretäre über einen besonders warmen Regen freuen. Auf ihren Gehaltskonten war nicht nur die Zulage wieder eingezahlt worden, auch die über ein Jahr ausgesetzten Bezüge waren nachgereicht worden.

Der Staatssekretär im Magdeburger Finanzministerium, Eberhard Schmiege, habe die erneute Zahlung der Zulage eigenmächtig angeordnet, verkündete Sozialminister Wolfgang Böhmer gestern. Schmiege ist sich keiner Schuld bewußt. „Es gab mehrere Schriftwechsel und Telefonate mit dem Bundesinnenministerium“, verkündet er. Danach sei er der Meinung gewesen, daß alle strittigen Punkte ausgeräumt seien. Der Bonner Innenstaatssekretär Franz Kroppenstedt bestreitet eine solche Einigung. Und auch Schmiege wird bei näherem Nachfragen in seinen Formulierungen vorsichtiger. „Es ist zwar nicht eindeutig so gesagt worden, aber aufgrund des Inhaltes der Gespräche war ich der Meinung, daß gegen die weitere Zahlung der Zulage keine Bedenken mehr bestehen.“

Schließlich sei die Bundesverordnung nur erlassen worden, weil es in den neuen Ländern noch keine Besoldungsgesetze gab. „Und man kann diese Verordnung doch nicht solange überall anwenden, bis auch das letzte neue Land ein solches Gesetz hat“, findet Schmiege.

Für Regierungssprecher Pawlowski ist die Kuh ohnehin vom Eis. Schließlich habe der neue Regierungssprecher Bergner die Zahlung der Zulage gerade ausgesetzt. Und kaum waren die Vorabmeldungen des Spiegel über die Ticker gegangen, verkündete das Finanzministerium stolz: „Der Weg der Sparsamkeit soll weiter fortgesetzt werden“. Vermutlich schon in der ersten Kabinettssitzung im neuen Jahr werde die Landesregierung das Landesbesoldungsgesetz ändern. Die Amtszulage für Staatssekretäre soll dabei entfallen. Das sei keine Anpassung an die Rechtsauffassung des Bundes, sondern lediglich ein Zeichen der Sparsamkeit, beeilte sich Schmiege zu versichern. Allerdings hat man in Magdeburg in der Klärung ungeklärter Rechtslagen mittlerweile beträchtliche Erfahrungen. Das neue Haushaltsgesetz besagt, daß West- Minister, die schon vor dem 27. November dieses Jahres der Regierung angehörten, ohne Nachweis früherer Einkünfte auf jeden Fall den vollen West-Tarif kassieren dürfen. Eine „Lex Remmers“, spottet die Opposition, denn Justiz- und Innenminister Remmers ist der einzige Wessi, auf den diese Regelung noch zutrifft. Im übrigen aber auch eine späte Rehabilitierung der Regierungsmitglieder, die über die erste Gehälteraffäre des Landes gestürzt waren. Hätte es die Regierung vorher schon gegeben, wären sie trotz aller Raffgier noch in Amt und Würden.