Ein unschlagbarer Standort

■ Wie es kommt, daß die Kammerphilharmonie unbedingt ins Ernst-Waldau-Theater ziehen soll, obwohl der nötige Umbau Millionen kostet und ein überaus billiges Angebot längst vorliegt / In der Hauptrolle: der Wirtschaftssenator

Die Galeristin Katrin Rabus ist hellauf verdutzt. Sie hat dem Wirtschaftssenator Jäger ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte, und der Wirtschaftssenator hat abgelehnt.

Kann sein, daß ihn das bald teuer zu stehen kommt: Wenn es nach Claus Jäger geht, wird die Kammerphilharmonie, die immer noch ein Obdach sucht, nicht für wenig Geld in die Galerie Rabus ziehen, sondern für womöglich sehr viel Geld ins Ernst-Waldau-Theater. Der nötige Umbau dort wird Millionen kosten; die Galerie dagegen hätte nur eine günstige Monatsmiete verlangt.

Schon im März des Jahres hatte Katrin Rabus dem Orchester einen Teil ihrer weitläufigen Räumlichkeiten angetragen, und die Musiker waren von der ehemaligen Fabrik sehr angetan gewesen: Büros, Räume zum Üben, ein Magazin, alles hätte Platz gefunden.

Der große Probensaal war zwar akustisch nicht ganz in Ordnung, die Galeristin erklärte sich aber bereit, ihn für eine halbe Million aus eigener Tasche umzubauen. Schon im Sommer nächsten Jahres hätte die Kammerphilharmonie einziehen können, und an Kosten für die 700 Quadratmeter wären nur 84.000 Mark Miete pro Jahr angefallen.

Der Wirtschaftssenator dagegen favorisiert beharrlich das Ernst- Waldau-Theater, obwohl die in diesem Fall notwendige Umbauerei die Staatskasse mindestens vier bis fünf Millionen Mark kosten wird. Der Probensaal im Theater ist nämlich viel zu niedrig; man muß also die Decke höher hängen, und nicht nur das.

„Es kann aber schon auch sein, daß man mit drei Millionen auskommt“, sagt der stadtbekannte Kulturagent Hermann Pölking-Eiken, der für die Kammerphilharmonie die PR besorgt, „bloß das Theater muß ja sowieso saniert werden.“

Das wiederum bestreitet Katrin Rabus. Sie argwöhnt, daß interessierte Kreise unbedingt und wie auch immer einen Nutzer für den großen maroden Ernst-Waldau-Kasten vorweisen wollen, und nun sei eben nur die Kammerphilharmonie zur Hand. „Das kommt heraus, wenn der Wirtschaftssenator Kulturpolitik macht.“

Aus Jägers Behörde waren gestern keine Stellungnahmen zu erlangen; der Kulturstaatsrat Schwandner bestätigte allerdings von seiner Warte aus den Tatverdacht: „Wir finden ja alles gut, wenn nur das Theater brummt.“ Im übrigen aber halte sich das Kulturressort tunlichst zurück: „Weil zahlen tut der Wirtschaftssenator“.

Auch die Kammerphilharmonie, die es ausbaden wird, hat gute Gründe zur Vorsicht: „Nachdem sich jetzt der Umbau der Böhmers- Villa als viel zu teuer erwiesen hat, möchten wir schon gar keine Forderungen stellen, die mit Geld zu tun haben“, sagt Jörg Assmann vom Orchestervorstand. „Das gäbe nur böses Blut“.

Erst recht könnte das bremische Blut aber böse werden, wenn nun gerade der Umbau des Theaters, wie es in solchen Fällen üblich ist, sich verteuert bis dorthinaus. Auch Assmann räumt ein: „Das sehe ich kommen“.

Die überwiegende Mehrheit des Orchesters wäre „natürlich“ lieber zu Rabus gezogen, sagt Assmann. „Ein sehr sympathischer Gedanke“. In Walle wird wohl die Koexistenz mit dem plattdeutschen Theater über's Gutnachbarschaftliche nicht hinauskommen: „Das würde eher ein Nebeneinander sein, darüber hinaus hätte ich auch meine Probleme“.

Das Galeriemilieu aber, die ehemalige Fabrik, im Findorffer Gewerbegebiet Plantage nahe den Bahngleisen gelegen, hätte dem Orchester die Gelegenheit gegeben, neben dem Proben auch mal kleine Konzerte oder Debatten über dies und jenes abzuhalten.

Dort finden ohnehin neben dem Ausstellungsbetrieb schon allerhand Konzerte mit neuer Musik statt; es regt sich, dazu passend, ein gewisses Kongreß- und Vortragsleben, ja es hat sich ein regelrechtes kleines Kulturzentrum herausgebildet. „Und ohne einen Pfennig an staatlicher Unterstützung“, sagt Katrin Rabus.

Als umso brüskierender empfindet sie, wie ihr Vorschlag jetzt abgeblockt wird. „Das Gebäude hier ist doch ein Sahnestück. Wir könnten's an weißgott wen vermieten, aber wir wollten es freihalten für Gruppen, mit denen wir gerne was machen möchten.“

Sie hatte der Kammerphilharmonie einen Sechsjahresvertrag angeboten; jetzt, nach acht Monaten, kam aus dem Wirtschaftsressort die Antwort, daß ihre Räume höchstens für eine Übergangszeit von einem Jahr in Frage kämen. „Aber dafür eigens umzubauen, ist doch sinnlos“, sagt die Galeristin. „Nein, ich sehe, daß es hier überhaupt nicht in die politische Landschaft paßt, wenn man selbständig handelt. Stattdessen wird dort investiert, wo von selber gar nichts läuft: in unausgegorene Design- Geschichten, die gleich wieder baden gehen, in ein Forum Langenstraße, das niemand braucht, oder ins Ernst-Waldau-Theater, damit überhaupt jemand hin will.“

Jetzt ist aber erst einmal alles vertagt: Das Hochbauamt brütet noch ein Weilchen über den dräuenden Umzugskosten fürs Ernst- Waldau-Theater, bis die Voranschlagsreife erreicht ist; ein Frankfurter Architekt überlegt, wie man's machen könnte, und im März soll dann endgültig entschieden werden. So lange will Katrin Rabus ihre Räume noch leerstehen lassen.

Manfred Dworschak