Fakten negativ, Bilanz positiv

■ Wirtschaftssenator trotz wachsender Arbeitslosigkeit optimistisch

Eigentlich hat Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) keinen Grund, mit Zufriedenheit auf die zwei Jahre seiner Tätigkeit zurückzublicken. In seiner Amtszeit ist die Zahl der versicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Bremen um 11.000 auf nun nur noch 307.000 zurückgegangen, das Bruttoinlandsprodukt ist – wieder einmal überproportional zum Bundestrend – um fünf Prozentpunkte gefallen, und sowohl im Hafen wie auch im Einzel-, Groß- und Außenhandel sind die Umsätze deutlich gesunken. Trotzdem nannte Jäger das ablaufende Jahr 1993 gestern „kein schlechtes Jahr“, als er vor der Landespressekonferenz seine Bilanz zog.

Ursache für Jägers Zufriedenheit ist vor allem die erfolgreiche Rettung der Klöckner-Hütte. Wenn heute, am letzten Tag vor dem Ablaufen der Frist, tatsächlich die noch fehlenden Unterschriften des Vulkan, der Hegemann-Gruppe und der Stadtwerke unter das „Interessentenmodell“ gesetzt werden, dann sind damit 4.300 der in Bremen sowieso schon nicht mehr besonders zahlreich vertretenen Industriearbeitsplätze gerettet.

Trotzdem allerdings, so ist im Jäger-Ressort errechnet worden, ist die Zahl der Bremer Arbeitsplätze im Industriebereich im laufenden Jahr gegenüber 1992 um über 5.000 gesunken – 1.300 Arbeitsplätze gingen im Straßen-, Luft- und Raumfahrzeugbau verloren und rund 1.000 in der Genußmittel- wie in der Konsumgüterindustrie. Der Rest verteilte sich auf Schiff- und Maschinenbau und das Produktionsgütergewerbe.

Eine positive Entwicklung meldeten lediglich das Baugewerbe mit einem Wachstum von sieben Prozent in 1993, das Finanz- und Versicherungswesen sowie der Bremer Flughafen. Auf dessen Wachstum der Fluggastzahlen um elf Prozent ist Jäger ganz besonders stolz. „Schließlich ist der Flughafen der einzige Bereich, in dem ich Politik machen kann, ohne dafür andere Senatsressorts wie Bau oder Stadtplanung zu brauchen“, sagte er gestern und versicherte, daß sein Konzept „Flughafen 2000“ auch weiterhin zügig verfolgt werden solle.

In seiner Politik der nächsten zwei Jahre soll die Gewerbeflächenerschließung und Straßenanbindung die höchste Priorität haben. Für den Bau der A 281 und des Hemelinger Tunnels läßt Jäger in seinem Ressort zur Zeit die Möglichkeit prüfen, über ein Landesgesetz das Planfeststellungsverfahren drastisch zu verkürzen. Außerdem soll die Bauträgerschaft nicht im Bauressort, sondern bei eigenständigen „Projektgesellschaften“ liegen. Grüne und FDP haben dem bereits zugestimmt, die SPD zögert allerdings noch.

Im Gewerbeflächenbereich sieht Jäger die besten Entwicklung schancen im „Industriepark West“ neben dem Klöckner-Gelände. Nach Rettung der Hütte gebe es dort ideale Voraussetzungen für Altstoffrecycling und Stahlveredelung in Zusammenarbeit mit der Bremer Hütte. An zweiter Stelle steht dann das Gewerbegebiet am Flughafen. Die Verhandlungen mit den dort bisher noch bewirtschafteten Kleingärtnern stünden kurz vor einer Einigung, meinte Jäger gestern. „Diese Rangfolge bedeutet aber nicht, daß wir die Hemelinger Marsch nicht mehr brauchen würden“, versicherte der Wirtschaftssenator. Angesichts der klaren Beschlußlage in Bürgerschaft und Senat ist aber sicher, daß daraus zumindest in der laufenden Legislaturperiode nichts mehr wird. Ase