Urteil im Prozeß um Schloßbrücken-Tote

■ Sieben Monate auf Bewährung für Polizisten / „Zu schnell gefahren“

Im Prozeß um den Schloßbrücken-Unfall hat das Berliner Landgericht gestern den 31jährigen Polizeiobermeister W. zu sieben Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Der Beamte war am 6. März bei einem Einsatz in Berlin-Mitte mit seinem Polizeifahrzeug in eine Menschenmenge gefahren. Zwei Kinder im Alter von vier und sechs Jahren wurden dabei getötet, ihre Eltern und ein weiterer Passant schwer verletzt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die zu hohe Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs den Unfall verursacht hat, und verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Es ist der schwerste Verkehrsunfall, an der die Polizei beteiligt war, in der Berliner Nachkriegsgeschichte.

Der Vorsitzende Richter, Jürgen Malis, sprach in der Urteilsverkündung von einer „Verkettung unglücklicher Umstände“. Das Gericht legte zugunsten des Angeklagten eine Fahrgeschwindigkeit von 75 km/h zu Grunde, die bei einer Fahrbahn ohne Granulat „ungefährlich“ zu fahren gewesen wäre. Das Fehlverhalten des Beamten liege darin, daß er Streusplitt nicht einkalkuliert habe. Es sei für den Polizisten mit seiner langen Fahrpraxis voraussehbar gewesen, daß er ins Schleudern geraten konnte.

Als wahrscheinlichste Unfallversion nahm das Gericht an, daß der Angeklagte beschleunigte, ein Fahrzeug überholte und danach abbremste, weil er plötzlich sah, daß seine Fahrspur endete. Nach Ausführung des Vorsitzenden Richters war der Beamte berechtigt, mit Sonderrechten zu fahren, weil er zu einer Messerstecherei, einem „Einsatz mit Dringlichkeit“, abgeordert worden sei. Wie sich erst im nachhinein herausstellte, handelte es sich um einen falschen Alarm. Dieser tragische Fall dürfe nicht dazu führen, so Malis, die Sonderrechte der Polizei einzuschränken.

Strafverschärfend wertete das Gericht, daß die Opfer keinerlei Mitverschulden treffe. Eine grobe Fahrlässigkeit, wie von der Staatsanwaltschaft angenommen, vermochte die Kammer aber nicht zu erkennen.

Der Angeklagte, der wieder auf Streifenfahrten eingesetzt wird, sieht nun einem Disziplinarverfahren entgegen. Er muß mit einer Degradierung oder einer Geldstrafe rechnen. Bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wäre W. sofort aus dem Polizeidienst entlassen worden. „Er wäre dann vielleicht als Kaufhausdetektiv mit Kußhand genommen worden“, sagte Burghardt von Walsleben, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP.

Der Unfall auf der Schloßbrücke ereignete sich, als der damalige Polizeipräsident eine Untersuchung von Verkehrsunfällen, an denen die Polizei beteiligt war, in Auftrag gegeben hatte. Der Bericht wird demnächst dem Parlament vorgelegt und den Senatsausschuß für Inneres, Sicherheit und Ordnung beschäftigen. tn