Daimler und Sony pfeifen auf die Umwelt

■ Bauverwaltung spielt Warnungen von Umweltgutachtern herunter / Investoren wollen Empfehlungen nicht befolgen

Die Bauverwaltung spielt die Ergebnisse eines von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens zum Potsdamer Platz herunter. In der Umweltverträglichkeits-Untersuchung (UVU) warnen neun Umwelt-, Stadtplanungs- und Ingenieurbüros vor „gravierenden ökologischen Risiken“. Die taz berichtete bereits Mitte November, daß während der Bauarbeiten auf der 51 Hektar großen Stadtbrache der Tiergarten künstlich beregnet werden müsse, um Schäden an der Vegetation auszuschließen.

Doch der in der Bauverwaltung zuständige Referatsleiter, Ortwin Ratei, hält „alles für sehr viel harmloser“, als es in der Studie dargestellt ist. Obwohl die Gutachter warnen, daß der Grundwasserspiegel in Teilen des Tiergartens um bis zu 1,7 Meter fallen könne, spricht Ratei von einer Absenkung von nur 16 Zentimetern. Die erhebliche Differenz zwischen beiden Annahmen ergebe sich, weil die Gutachter angeblich nicht vom Stand der Technik ausgegangen seien. Baugruben seien heute nahezu wasserdicht, die von den Gutachtern unterstellten Mengen abzupumpenden Grundwassers dadurch wesentlicher geringer, behauptet der Referatsleiter. Eine künstliche Beregnung des Tiergartens sei nicht nötig.

Auch die Empfehlungen, die Grundrisse der Sony- und Debis- Grundstücke sowie bestimmte Bauten niedriger zu bauen, wird nicht umgesetzt. „Bauhöhen und Nutzungsmaße werden unverändert bleiben“, sagte Ratei, im Detail gebe es möglicherweise Änderungen. Die Gutachter hatten kritisiert, daß bei der vorgesehenen Bebauung die Funktion der Nord- Süd-Belüftungsachse verlorengehe. Im wesentlichen erhält der Tiergarten nur noch über den Potsdamer Platz Luft von außen. Nicht einmal auf die Wasserflächen soll verzichtet werden. Ihr Anteil sei so gering, daß der geforderte Ersatz durch Grünflächen auf das Kleinklima ohnehin kaum einen Effekt hätte, so Ratei.

Auch die Investoren, denen auf einer eintägigen nichtöffentlichen Veranstaltung die Umweltverträglichkeits-Untersuchung vorgestellt worden ist, wollen die Empfehlungen nicht umsetzen. „Wir gehen davon aus, daß es keine grundsätzlichen Veränderungen geben wird“, sagte Sony-Sprecherin Annerose Steinke. Auch die Daimler- Tochter Debis sieht das so. „Im großen und ganzen wird nichts geändert“, antwortete Debis-Sprecher Bernd Bischof.

Die Bürgerinitiative Westtangente dagegen will, daß die von Debis beantragte Grundwasserentnahme so lange nicht genehmigt wird, bis die Auswirkungen aller umliegenden Baustellen zusammenfassend ausgewertet worden sind. Zu diesen Bauvorhaben zählen das Regierungsviertel, die drei Tunnel unter dem Tiergarten sowie der Lehrter Fernbahnhof und der Bahnhof Potsdamer Platz. Das Bündnis 90/Grüne hat gegen den Bebauungsplan 25 Widersprüche formuliert.

Ob Bauverwaltung und Investoren die Warnungen einfach übergehen können, wird noch entschieden. Ende Februar sind die ökologischen Auswirkungen der Bauvorhaben Thema im Abgeordnetenhaus. Dirk Wildt