Le club, c'est moi

Der König heißt Bodo Ströhmann. Sein Reich ist der Handballverein; nun trat er zurück und zauberte ein neues Kaninchen aus dem Hut  ■ Von Matthias Kittmann

Wallau (taz) – Bodo Ströhmann, der Sonnenkönig von Handballmeister Wallau/Massenheim, ermittelte persönlich. Denn „Mr. Wallau“ war sauer. Er, der „am liebsten nach dem Spiel jeden Zuschauer einzeln fragen würde, ob ihm das Spiel gefallen hat“, vernahm nach der mäßigen, aber trotzdem gewonnenen Begegnung seiner Mannschaft gegen TuS Schutterwald ganz ungefragte Meinungsäußerungen: Pfiffe! Sofort stellte er Nachforschungen an, wer da zum „Verräter“ geworden war. „Denn wenn die eigenen Fans pfeifen, dann blute ich.“ Fans und Vereinsmitglieder sind dafür da, Schaden von der Mannschaft abzuhalten. „Zum Auspfeifen kann ich mich hinstellen.“

Natürlich wollte es keiner gewesen sein. Doch der Marmorfabrikant, der den Handballverein in einer Art „One-Man-Show“ an die deutsche und europäische Spitze gebracht hatte, war im tiefsten Inneren getroffen. Deutscher Meister 1992 und 1993 ist sein Team geworden, den nationalen Pokal im Vorbeigehen mitgenommen, international nach dem IHF-Pokalsieg im Jahr 1993 erst eine Sekunde vor Schluß das Meister- Cup-Finale verloren und 1994 schon wieder für die Champions- League qualifiziert. Und jetzt kamen plötzlich die Nörgler aus den Ecken, weil die Mannschaft nur mittelprächtig in die aktuelle Saison gestartet war. Das war zuviel für Bodo I.: „Ich hör auf.“

Aber keiner nahm ihn ernst, kaum daß überhaupt jemand hinhörte. Schließlich hatte er das schon oft spontan angedroht, bei genauerem Bedenken aber wieder zurückgenommen. Doch diesmal war's kein Witz. „Bis Weihnachten präsentiere ich einen Nachfolger“, legte er Anfang November nach. Als dann auch noch drei Wochen später Spezi und Meistertrainer Heiner Brand ankündigte, zum Ende der Saison aus persönlichen Gründen aufzuhören, begann im Umfeld das Heulen und Zähneklappern.

Denn ohne Ströhmann läuft bei der SG Wallau gar nichts. Er schließt morgens die Tür auf, bastelt die Mannschaft zusammen, sammelt die Bälle ein, besorgt das Geld und macht abends das Licht aus. Unvorstellbar also: der Club ohne seinen Manager. Das wissen die Mitglieder, und das weiß er selbst: „Wer ist denn der Verein? Der Verein bin ich!“

Wird die Festung Wallau Massenheim jetzt geschleift? Nein, Bodo Ströhmann ist weder Sado noch Maso, sondern ein Handballbesessener, der zudem immer etwas Neues auf Lager hat. Binnen sechs Wochen zauberte er ein zweifaches Kaninchen aus dem Hut.

Hauptamtlicher Manager wird ab nächster Saison Burkhard Keller, der bereits vier Jahre lang als Spieler das Trikot der Hessen getragen hat.

Der 35jährige ist mit Mannschaft, Verein und Umfeld bestens vertraut, da er seit zwei Jahren als sportlicher Leiter des Clubs fungiert. Und dessen bester Kumpel wiederum aus dem 87er Aufstiegsjahr, der Schwede Björn Jilsen (34), wird im nächsten Sommer der neue Trainer sein. Der macht aus seinen heimatlichen Gefühlen keinen Hehl: „So richtig weg war ich nie von Wallau.“ Was sich schon daran beweist, daß der heutige Weltklassespieler des Dorfvereins, der Finne Mikael Kaellmann, auf seine Empfehlung hin ins „Ländche“ kam.

Als Ströhmann in der Vereinsgaststätte „Grüner Wald“ (auf der Wallauer Hauptstraße immer geradeaus) seine Nachfolgeregelung darlegte, strahlte er schon wieder ob seines – zumindest theoretisch – genialen wie einfachen Coups. Zumal sich auch seine sportlichen Sorgenfalten fast wieder verflüchtigt haben.

Denn der Handballmeister profitiert derzeit vom „Eintracht- Frankfurt-Effekt“: Obwohl schon fünfmal verloren, beträgt der Abstand zum Tabellenführer Kiel nur drei Punkte. Grund genug für Bodo I., wieder zu alter Form aufzulaufen: „Ich stehe dazu“, sagt er, „wir wollen drei Titel, und wenn die jetzt einen vierten Wettbewerb einführen würden, dann würde ich sagen, den holen wir uns auch noch.“

Mag der König auch nicht mehr König heißen in Wallau, wird sich doch an einem auch in Zukunft so schnell nichts ändern: „Le Club, c'est moi.“