Delikate Dialektik

■ Bravo: Trevor Pinnock in der Musikhalle

Man weiß nicht warum, aber um Hamburg machen Kapellen, die auf alten Originalinstrumenten spielen, meist einen großen Bogen. Dabei ist der Noch-Chefdirigent des NDR-Orchesters mit seinen English Baroque Soloists einer der führenden Maestri dieser Richtung, und auch Roger Norrington, ein anderer Star der Originalklang-Bewegung, kommt öfter, um die Hamburger Philharmoniker ein bißchen aufzumischen.

Da freute man sich doch auf Trevor Pinnock, der The English Consort, eine der ältesten historisierenden Kapellen (kürzlich feierte sie 20jähriges Jubiläum) an die Elbe brachte und den Erwartungen voll gerecht wurde. Passend zum weihnachtlichen Countdown stand ausschließlich Barockmusik an, Dienstag nur Bach. Dessen erste Suite BWV 1066 ist leichte Gesellschaftsmusik, mit nur zwei Oboen und einem Fagott neben 13 Streichern auch leicht besetzt.

Pinnock leitete mit artikulierenden Gesten vom Cembalo aus, beherrschte im folgenden d-moll Konzert BWV 1052 auch das reich und schön verzierte Instrument, das freilich für die Musikhalle eine Epoche zu leise war. Delikat die Dialektik zwischen leidenschaftlich-dramatischem Ausdruck der Komposition und zart phrasierendem Gestus des Cembalo, halb eingebettet in die weich differenzierte Streicherbegleitung, halb sie konterkarierend, kaum jedoch sich kantabel aus ihr lösend.

Mit festlich punktierter Rhythmik und drei ventillosen Trompeten plus Pauke und drei Oboen auch üppiger besetzt, glänzte am Ende die vierte Suite BWV 1069. Ständiger Wechsel der Musik zwischen den Gruppen, originelle Instrumentierung - etwa wenn Fagott, Cello und Bass im Bourrée begleitend den Oboen zusetzten - all das wurde in der bachgemäß kleinen Aufstellung zum Ereignis und machte, weil plastisch, gestisch, farbig und mit viel Drive musiziert, auch viel Spaß. Als Zugabe Bachs Hit, das Air aus der dritten Suite, vibrato-arm spröde ins Leben zurückgeholt. Die Hamburger waren begeistert. Pinnock darf wiederkommen. Stefan Siegert