Verunsicherte für de Klerk

■ In Südafrika beginnt offiziell der erste freie Wahlkampf

Kapstadt (taz) – Staatspräsident Frederik de Klerk streifte die Handschuhe ab. „Bisher war eine Hand hinter unserem Rücken festgebunden, aber jetzt sind beide frei für den Wahlkampf“, sagte der Reformpräsident. Start frei für den Wahlkampf. Auf einer Plakatwand im Kapstädter Hauptquartier prangte der Slogan der noch regierenden Nationalen Partei: „Wir sind bereit.“ Es ist die Antwort auf den Wahlspruch des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC): „Die Zeit ist gekommen.“

Noch ist nicht klar, wie viele Parteien an Südafrikas erster allgemeiner Wahl am 27. April kommenden Jahres teilnehmen werden. Aber laut allen bisherigen Umfragen bleiben vor dem Urnengang nur zwei Fragen spannend: Wird der ANC die absolute Mehrheit holen, und kann die noch regierende Nationale Partei den zweiten Platz belegen?

Der ANC legte schon vor einigen Wochen mit seinem „Razzmatazz“ los, von dem sich ANC-Chef Nelson Mandela (75) nach Wochen voller Auftritte auf einer Tropeninsel erholt. Sein bisheriger Wahlkampf stellte nicht alle Freunde zufrieden. „Er sollte sich aus den niederen Querelen heraushalten, wie es sich für den Vater der Nation gehört“, monierte etwa der Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu. SPD-Wahlkampfberater Bodo Hombach zeigte sich nach einem Besuch besorgt über den Zeitplan des ANC: „Die müssen aufpassen, daß Mandela am Ende nicht langweilig wird, weil er zuviel aufgetreten ist.“

Der bisherige Staatspräsident de Klerk verkündete dagegen Illusionen. „Wir wollen die stärkste Partei werden“, erklärte er. Meinungsforscher geben den „Nats“, wie sie kurzerhand genannt werden, gegenwärtig nur zwischen 13 und 20 Prozent der Stimmen. De Klerk: „Das hat mit Einschüchterung zu tun. Wir haben den Markt erforscht und konzentrieren uns auf die Unentschlossenen und Verunsicherten.“

Der Prozentsatz solcher Wähler ist gewachsen. Weitere Hoffnungsquelle für die Nationale Partei: Mit Einverständnis des ANC dürfen die 21 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme nur einmal abgeben, auch wenn sie für die National- und Regionalversammlung gezählt wird. Diese Regelung schadet den konkurrierenden kleinen Parteien. Die ideale Wahlkampfmunition für ANC-Gegner kam vom Kongreß selbst. Die ANC-Frauenliga wählte Winnie Mandela, die von Nelson Mandela getrennte, umstrittene und wegen Kindesentführung vorbestrafte Ehefrau an ihre Spitze. Die rechtsradikalen weißen Reformgegner, die der Nationalen Partei die Stimmen der traditionellen weißen Wählerschaft streitig machen könnten, werden wahrscheinlich nicht geschlossen an den Wahlen teilnehmen.

Die Apartheid, die seine Partei in ihrer 40jährigen Geschichte unterstützt hat, versuchte de Klerk vergessen zu machen: „Wir sind eine neue Partei, und bei diesen Wahlen geht es um die Zukunft“, sagte de Klerk. Freilich wird der Wandel nicht ganz reichen, um die überwiegend weißen Führer durch andere, dem Bevölkerungsspektrum entsprechende Kandidaten zu ersetzen. Aber eine Umfrage in Western Cape, dem Gebiet zwischen Kapstadt und der Grenze zu Namibia, zeigt, daß die NP zumindest in diesem Gebiet knapp vorne liegt – dank der Stimmen der „Coloureds“, der Farbigen Südafrikas. Willi Germund