Jelzin hält an Marktwirtschaftler Jegor Gaidar fest

■ Der Präsident schloß eine Zusammenarbeit mit Schirinowski nicht grundsätzlich aus

Moskau (taz) – Nach dem enttäuschenden Wahlausgang für die demokratischen Kräfte in Rußland äußerte sich gestern Präsident Jelzin erstmals öffentlich zu den Ergebnissen. Wer von einer „vernichtenden Niederlage“ spreche, dem könne er nicht zustimmen. Immerhin hätte die Mehrheit der Wähler für die neue Verfassung gestimmt. Die Wahl habe gezeigt, wie „schwierig und gegensätzlich die Lage im Lande sei.“ Unter derartigen Bedingungen könnten sich die unerwartetsten Wendungen ergeben – auch der Erfolg aggressiver und populistischer Losungen.

Jelzin machte einen mitgenommenen Eindruck und antwortete kurzsilbig. Trotz des Wahlmißerfolgs wird er am stellvertretenden Premier Jegor Gaidar festhalten: „Gaidar bleibt. Das heißt, der Reformplan, den er zusammen mit dem Präsidenten und der Regierung durchführt, bleibt auch.“ Im gleichen Atemzug verwies er allerdings auf eine Lockerung des strikten monetaristischen Kurses, für den Gaidar bisher stand. Die Notwendigkeit, die Inflation zu kontrollieren, müsse mit der Notwendigkeit, den Armen zu helfen, ins Gleichgewicht gebracht werden. „Sollte die Inflation weiter sinken wie im November, werden wir unsere Sozialpolitik grundlegend vom Umfang her ändern.“

Gaidar hatte im Vorfeld eine Zusammenarbeit mit der Liberaldemokratischen Partei Schirinowskis ausgeschlossen. Im neuen Parlament regte er die Gründung einer antifaschistischen Front an. Jelzin wollte eine mögliche Kooperation mit den Faschisten im Parlament nicht grundsätzlich ausschließen. „Wenn Schirinowskis Arbeit im Parlament dem Wohl des Volkes und des Landes dient, werden wir mit ihnen arbeiten.“ Jelzin wollte die Gefahren eines heraufziehenden Faschismus so nicht gelten lassen: „Ich halte es nicht für so gefährlich, wie es einige Medien darzustellen versuchen.“ Extremismus, Faschismus, aggressiven Nationalismus und Antisemitismus werde er nicht zulassen. Die Verfassung sei dafür ein Garant. Rußlands leidvolle Erfahrung mit dem Faschismus verhindere das Ausufern faschistischer Tendenzen. Im Vergleich zum Deutschland der 30er Jahre gebe es allerdings einige Parallelen: der erniedrigte nationale Stolz und die schlechten Lebensbedingungen. Der Unterschied besteht darin, „was wir haben und sie nicht hatten. Das ist der Präsident und die Verfassung, die gegenüber dem Faschismus auf der Hut sind.“ Bis Juni 1996, dem Ende seiner Amtszeit, wird es weder Faschismus noch einen Präsidenten Schirinowski geben.

Am Vortag hatte Jelzin das frühere KGB aufgelöst. An seine Stelle soll ein Föderaler Abwehrdienst treten. In zehn Tagen muß der neue alte Chef Galuschko ein Konzept präsentieren. Als Begründung nannte Jelzin die frühere repressive Rolle des KGB. Bis zur Gründung der neuen Institution bleiben die alten Mitarbeiter im Amt, danach sollen sie einer Überprüfung unterzogen werden. khd