„Ungerecht“– aber „kein Tabu“

■ Schulsenatorin denkt laut über längere Arbeitszeit für Lehrer nach

Keine schöne Bescherung für Hamburgs Lehrer. Kurz vor Weihnachten tat Schulsenatorin Rosemarie Raab mehrfach öffentlich kund, daß die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit für sie „kein Tabu“ mehr sei. Vor die Alternative gestellt, ob sie eher die Zahl der Schüler pro Klasse erhöhe oder die Stundentafel kürze, ziehe sie eine zeitlich begrenzte Arbeitszeitverlängerung vor, sagte die SPD-Politikerin im NDR.

Sie stehe zwar nach wie vor zu ihrer Aussage vom Frühjahr, daß eine isolierte Arbeitszeitverlängerung für eine Berufsgruppe „ungerecht“ sei (“wenn Arbeitszeitverlängerung, dann für alle“). Dennoch könne sie angesichts der angespannten Haushaltslage keine „Entwarnung“ geben.

Ursprünglich hatte sich der Hamburger Senat im Sommer bei den Haushaltsberatungen für 1994 für eine „Nullrunde“ im öffentlichen Dienst ausgesprochen. Da sich jetzt aber der Beamtenbund zu Gesprächen über die 40-Stunden-Woche bereit gefunden hat, müsse man das Ergebnis der Tarifverhandlungen abwarten, sagte Raab.

Erst am vergangenen Wochenende hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder beim „Kamingespräch“ darauf verständigt, die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit um eine Stunde zu „prüfen“. Der Schulsektor ist für die Finanzpolitiker besonders interessant. Während Arbeitszeitverlängerung in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes kurzfristig wenig einbringen – Entlassungen dauern eben – stehen im Bildungsbereich in großem Umfang Neueinstellungen an. Steigende Schülerzahlen bei gleichzeitigem Ansteigen der Pensionierungsrate machen allein in Hamburg pro Jahr 400 bis 500 Neueinstellungen nötig. Die Verlängerung der Arbeitszeit um eine Stunde, so schätzt die GEW, könnte 600 Planstellen erübrigen.

Die Lehrergewerkschaft hat unterdessen erklärt, daß sie eine Arbeitszeitverlängerung für „ungerecht, kurzsichtig und konzeptionslos“ hält. „Ungerecht“, weil Hamburgs Pädagogen in den vergangenen 20 Jahren so gut wie gar nicht von der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung profitiert haben. Während im öffentlichen Dienst die 40- und später die 38,5-Stunden-Woche eingeführt wurde, sei die Pflichtstundenzahl der Lehrer stets gleich geblieben, erklärt der Hamburger GEW-Vorsitzende Hans-Peter de Lorent. Lediglich die Grund- und Hauptschullehrer kamen 1990 in den Genuß einer Arbeitszeitverkürzung von 28 auf 27 Stunden. „Kurzsichtig und konzeptionslos“, weil diese Pläne die „Vergreisung“ der Lehrerschaft noch weiter vorantreiben würden. Bei den Gymnasiallehrern, so de Lorent, würde es bis zum Jahr 2000 keine Einstellungen mehr geben. kaj