Käse, Wurst, Müsli, Kaffee, Ei für 1 Mark

■ Obdachlos und zwangsläufig Magenknurren? I wo: Auf dem Speiseplan vieler Treber stehen Frühstück und Mittagsmahl

Wer sich den Bauch vollschlagen will, ist bei der Bahnhofsmission am Zoo an der falschen Adresse. Denn Barmherzigkeit hat ihre eigenen Prinzipien. Käsestullen gibt's nur bis sechs, und wer hungrig ist, muß sich eben pünktlich einfinden. Weniger pingelig ist man bei der Gewährung von sogenanntem Kaffee. Die fortgesetzte Nötigung einer Kaffeebohne in einem Zehnlitereimer Wasserstoffdioxyd bringt einen Saft hervor, den man nicht als das zu identifizieren vermag, als was es ausgegeben wird.

Aber wenigstens wird der laue Sud auch noch nach 6 Uhr aus dem Fenster gereicht.

Zum Glück ist die Frühstückssituation für Obdachlose hervorragend, so daß der Bedürftige mit dem „Café Krause“ auf eine ausgezeichnete Alternative zurückgreifen kann. Von Dienstag bis Freitag kann dort, Kreuzberger Bethaniendamm 23, ausgiebig gefrühstückt werden. Kostenlos gibt es frische Brötchen, Käse, Aufschnitt und Marmelade. Gelegentlich wird sogar ein Frühstücksei geboten. Lediglich der Kaffee, der anders als sein durchsichtiger Verwandter bei der Bahnhofsmission genießbar ist, muß bezahlt werden.

Weil das Klima im „Café Krause“ von den Wohnungs- und Obdachlosen als angenehm empfunden wird, ist dieser Ort auch ein Forum zum Austausch von Ratschlägen und Überlebenstips.

Ein paar hundert Meter entfernt, in der Kreuzberger Wrangelstraße, bietet das „Offene Café Emmaus“ ebenfalls ein füllendes Frühstücksbuffet an. Montags bis donnerstags, jeweils von 9 bis 11.30 Uhr, wird dort ein Gratisfrühstück für sozial Schwache offeriert, das sogar den erhöhten Vitaminbedarf der häufig „Platte“ machenden Klientel berücksichtigt. Zu Müsli und Orangen können die Treber wahlweise Tee oder Kaffee trinken, für Brot, Margarine und Marmelade müssen sie keinen Pfennig zahlen. Wer darüber hinaus noch einen, von den Mitgliedern der Emmaus-Kirchengemeinde liebevoll zusammengestellten Teller mit Käse, Aufschnitt und Frühstücksei haben möchte, muß allerdings eine Mark opfern. Ein Angebot, das ebenso viele Doppelfrühstücker aus dem „Café Krause“ wie bedürftige AnwohnerInnen anzieht. Doch anders als am Bethaniendamm sorgen die mit der Frühstücksausgabe betrauten Gemeindemitglieder dafür, daß keiner länger als unbedingt nötig an den Tischen rumlungert.

Oft rüsten sich die Gäste nach dem Frühstück noch mit Kleiderspenden aus, denn im Keller des Gebäudes unterhalten die Männer und Frauen von der Emmaus-Kirche auch eine Bekleidungskammer.

Derart mit Kleidung und Nahrung versorgt, bieten sich dem Obdachlosen nun vielfältige Möglichkeiten, die Zeit bis zum Mittagessen zu überbrücken. In diesem Teil von Kreuzberg befinden sich gleich mehrere Wärmestuben: das „Café Ölberg“ in der Lausitzer Straße, die Wärmestube Heiliges Kreuz in der Nostitzstraße, die Wärmestube Segitzdamm. Einen Steinwurf vom offenen Café Emmaus entfernt befindet sich – ebenfalls in der Wrangelstraße – eine Suppenküche der „Schwestern der Mutter Theresa“. Dort wird täglich, außer donnerstags, warmes Essen ausgegeben. Leider erst ab 15.30 Uhr, so daß ein gewisser Bruch in der Nahrungskette entsteht. Doch die Suppenküche der Mutter Theresa ist ohnehin nicht sehr beliebt, weil vielen Obdachlosen das Vaterunser nur schwer über die Lippen kommt.

Bei den Franziskanerinnen in der Weddinger Wollankstraße muß niemand beten. Außer an Montagen gibt es dort täglich, in der Zeit von 13 bis 15 Uhr, warme Mahlzeiten. Den im Organisieren außerordentlich geschickten Schwestern gelingt es nicht nur, die Bedürftigen mit Mahlzeiten zu versorgen. Meistens schaffen sie es, den bis zu 500 Armen auch ein Dessert und Getränke anzubieten. Die Verköstigung der Massen wird vorwiegend mit Eintöpfen bestritten, aber gibt es auch andere einfache Gerichte bei den Schwestern.

Doch trotz fortschreitender Versuppenküchung der ehemaligen Wohlstandsgesellschaft ist es um die Versorgung der Obdachlosen mit Abendmahlzeiten nicht gut bestellt. Nur an einem Abend in der Woche bietet das Nachtcafé „Tabor“ außer Notschlafplätzen auch eine Suppe an. Ansonsten findet der Hungrige noch in der Neuköllner Schillerpromenade ein Abendessen. Aber nur montags, mittwochs und sonntags. Peter Lerch