: Bildröhrenbraten
■ ARD-Weihnachtsserie: "Bangkok Hilton", Sa., 21.55 Uhr
Weihnachten mit Messer und Gabel: Laß dir raten – esse Braten! Doch dann, o graus/ Sehen wir so aus/ Wie der dicke Mann/ Im zweiten Programm ... Wer also keine Lust darauf hat, seine weihnachtlich erworbene Leibesfülle in Form des französischen Metzgerdarstellers Gérard Depardieu widergespiegelt zu bekommen („Cyrano von Pressack“), der schalte zurück ins Erste. Dort sehen wir den im vergangenen Jahr verstorbenen englischen Schauspieler Denholm Elliott in einer seiner letzten Rollen.
Nach zwanzig Jahren Johnny Walker erfährt Hal Stanton (Elliott), daß er eine Tochter hat, die er – im Stil von Alan Parkers „Midnight Express“ – aus einem Thai- Gefängnis befreien muß. Sonst: Todesstrafe wegen Drogenhandels.
Zurück zum Schauspieler Denholm Elliott. Wir erinnern uns gerne an seine wunderschöne Rolle des besorgten Vaters in James Ivorys sophistischem, viktorianischem Kunst-Schmachtfetzen „Zimmer mit Aussicht“. In diesem Film erzieht Elliott seinen Sohn George (Julian Sands) so „freidenkerisch“, daß es George gelingt, die Schöne Helena (Bonham-Carter) – die zweitschönste Frau der Welt – zu becircen. Und wie er das macht!
Ken Camerons australischer TV-Dreiteiler „Bangkok Hilton“ ist natürlich längst nicht so witzig- pointiert erzählt wie „Zimmer mit Aussicht“. Aber das macht nichts. Die schönen bis exotischen Schauplätze (Australien, Bangkok, London, Goa), eine bedächtig dahinplätschernde Handlung sowie eine halbwegs stimmige Dramaturgie ergeben genau die richtige filmische Mischung, um nach dem Braten die Füße hoch zu legen und stumpf auf die Mattscheibe zu starren. Nach der Bratenröhre die Bildröhre: Muß auch mal sein.
Die Verstrickungen sind, wie es sich für einen Dreiteiler gehört, kompliziert: Katrina Stanton (Nicole Kidman) erfährt nach dem Tod ihrer Mutter, daß ihr für tot erklärter Vater (Denholm Elliott) nicht verschieden ist, sondern ein vom englischen Kriegsgericht geächteter Offizier. Im Zweiten Weltkrieg hatte er in Kriegsgefangenschaft Mitgefangene, die zu flüchten versuchten, an die Japaner verraten. Um diese Schmach zu vergessen, arbeitet er später als Anwalt unter falschen Namen in Australien.
Dort schwängert er die Tochter eines reichen Gutsbesitzers. Nachdem er enttarnt wird, darf er die Geliebte nie wiedersehen und erfährt deswegen auch nichts von seinem Sprößling Katrina, die sich erst zwanzig Jahre später auf die Suche nach dem anderen Erziehungsberechtigten begibt. In London gerät sie in die Fänge eines skrupellosen Drogendealers, der unbedarfte junge Frauen als Kuriere einsetzt ... Wie gesagt, das ist ein Film, den man nur über die Feiertage schaut, wenn der ästhetische Ausnahmezustand herrscht. Dann aber geballt.
P.S.: Wer die schönste Frau der Welt ist, wird nicht verraten. Manfred Riepe
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