Schneller wohnen durch besetzen

■ Häuser der Großstadt: Das seit über vier Jahren besetzte Haus Sredzkistraße 36 in Prenzelberg ist Anlaufstelle für jugendliche Wohnungslose

Es war im Sommer 89, noch vor dem Fall der Mauer, als drei Jugendliche aus Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain ziellos, wie so viele in dieser Zeit, durch die Straßen rannten. Durch die Hinterhöfe streunend, setzte sich bei uns der Gedanke fest: „Dieses Haus soll es sein!“ Gesagt, getan. Für uns eine Sache von Sekunden. Ein Schild wurde aufgestellt: „Das ist Unsa Haus!“

Inzwischen hat die Sredzkistraße 36 Strom und Gas installiert bekommen, und die sanitären Anlagen wurden in Ordnung gebracht. Das Haus wurde bisher umsonst von uns genutzt, dafür auch weiterhin in Schuß gebracht.

Der jüdische Besitzer des Hauses hat sich aber erst jetzt gemeldet. Er ist eventuell sogar bereit, uns zu unterstützen – und spielt sogar mit dem Gedanken, uns das Haus zu schenken.

Mittlerweile läuft in Sredzki 36 ein Sozialprojekt kuriosen Ausmaßes. Es zählt als Anlaufpunkt für die Jugend, Arbeits- und Obdachlose, die hier einstweiligen Wohnraum zur Verfügung gestellt bekommen mit der nötigen Ausstattung und auch verpflegt werden können.

Ihre Meinungsfreiheit nutzen die dreißig bis vierzig Leute insofern gut, indem sie ihren „Nachbarn“ aus der Kulturbrauerei mehrfach durch ihr Erscheinen und ihre knallharten „Einsprüche“ die Stühle mächtig heiß werden lassen. Dort wird von Sat.1 „Der heiße Stuhl“ produziert.

Gescheitert sind wir mit dem Projekt eines Infokellers mit Bar und Musik... Hier stellten sich der Berliner Senat und die zuständige Wohnungsbaugesellschaft quer, argumentierten mit der Gaststättenverordnung und dem Jugendschutzgesetz.

(Schöne Grüße auch an die, auf daß sie alle nie diese Probleme bekommen oder wenigstens nicht an Leute geraten, die einen dann mit den Worten abwimmeln wie „Obdachlosigkeit ist doch keine Dringlichkeit!“ – so eine Mitarbeiterin zu meiner Freundin, die einen Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit beantragen wollte. Namen werde ich hier keine nennen, da ich mit der WIP nur gute Erfahrungen gemacht habe. Kleines Weihnachtsgeschenk meinerseits!)

Der Keller in der Sredzki verlor somit seinen ursprünglichen Charakter. Hier bekam man nämlich wirklich noch alles für eine Mark. Ich kann mich nur noch an eine Vielzahl netter Tequila-Abende erinnern, die mir immer recht lange noch zu denken gegeben haben, zwecks „Was machst du da eigentlich? Hab' ich nicht Probleme genug? Oder krieg doch erst mal dein Leben in Griff, bevor du dir für andere Leute den Arsch aufreißt!“ Das geschnorrte „Haste mal 'ne Mark?“ konnte hier gleich in gewünschte Sachen umgesetzt werden. „Sinn trotz Unsinn!“

Ein freischaffender Sredzki-Fotograf hat sich dem Haus gestellt und über Wohnungsträume einen Film gedreht, Akteure: Hausbesetzer, Wagenburgler und Obdachlose. Hier kann man Döner, Dattel, Papa, Ilja – kurz: dreißig bis vierzig junge nette Leute erleben, die alle nur in eine gesicherte Zukunft blicken wollen, die aber auch nach ihren Ideen und Vorstellungen sich etwas aufbauen werden. Denn eine Chance und den Mut zum Träumen haben wir doch alle!?

Zur ständigen Bese(a)tzung gehören heute noch Dattel (18), die seit vier Jahren dort wohnt. Für Papa, der sich zur Zeit in Hamburg in der Hafenstraße ganz wohlfühlt, ist die Sredzki ein Wochenenddomizil geworden. Ilja (19), mit dem ich auch die Schule besuchte und eine recht lustige Abizeit verbrachte. Hannelore und Martin (18), der inzwischen eine Ausbildung als Fotograf angefangen hat. Und nicht zu vergessen, Gysi und Martini, bei dem man schon am Namen erkennt, welchem Laster er verfallen ist. Diese Leute sammeln des öfteren Problemfälle am Hauptbahnhof, Friedrichstraße, Zoo, Alex... man kennt ja die Stellen! Und nehmen sie in ihre Obhut. Kati