Eigentlich...

■ Road-Movie gegen Neonazis: „Die Bombe tickt“, Nord 3, 20.15/22.10 Uhr

Authentische Bilder vom brennenden Flüchtlingswohnheim in Rostock. Im O-Ton Bundesinnenminister Seiters über den „ungebremsten Zustrom von Asylanten“, dann die Zusammenrottung von Bewohnern eines mecklenburgischen Dorfes, die einen Flüchtlingsbus blockieren. Schließlich treten Jung-Glatzen auf den Plan und zünden den Bus an. Mit dabei: Ralph, unverstandener Sohn des Vizebürgermeisters. Schwester Jessica, Moderatorin eines Popsenders in der Großstadt und zu Besuch da, versteht den Bruder nicht mehr. Ihr Versuch, Ralph zur Rede zu stellen, wird für sie und ihren befreundeten holländischen Radio-Kollegen Gertjan zur Alptraumreise durch die schwer gewalttätige Neonazi-Szenerie halb Europas.

Eigentlich sollte die 3,6 Millionen Mark teure deutsch-holländische Spielfilm-Koproduktion – in vier Teile geteilt, aber immerhin parallel zur Uraufführung auf NL1 – ins „Familienprogramm“ des Ersten geträufelt werden. Zu mittagsschlafender Zeit an den November-Sonntagen. Jetzt, mit zweimonatiger Verspätung, wird N 3 zur Prime Time mit dem 180 Minuten langen Mammut-Opus am Stück beschickt. Bis hin zu den Ungereimtheiten bei der Plazierung im Programm kennzeichnen „Die Bombe tickt“ Züge mangelnder Souveränität und ungelenken Debütantentums – wie bei so manchen der bemühten Lichtspiele, die in neuester Zeit antreten, die neudeutsche faschistische Szenerie auszuleuchten. „Wir zeigen Phänomene, die es gibt. Das ist die Realität, und die wollen wir erst einmal unkommentiert darstellen“, so Regisseur Thorsten Näter.

Dabei widmet sich Näter seit 15 Jahren gesellschaftskritischen, insbesondere aber mit Jugendstoffen. Von ihm durfte man sich eigentlich erhoffen, daß er in einem so langen Film einlöst, was er in dem von der ARD vorsorglich verbreiteten Interview selber ankündigte. Es sei ihm nicht darum gegangen, so Näter, etwas über die internationalen Verflechtungen der Neonazis und ihrer Organisationen zu erzählen. Dies seien bekannte Tatsachen. „Nein, ich will mit meinem Film zeigen, was in den Köpfen von jungen rechtsextremistischen Menschen vorgeht, wie sie fühlen und denken. Es nachvollziehbar zu machen, wie und warum Jugendliche in Neonazi-Kreise geraten.“ Ulla Küspert