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: Tantengeschichten

„TV's – Kinderprogramm von früher“ (1), Sa., West 3, 13.45 Uhr

Heilig's Hertzle, jetzt quaken schon die Fernseher! Wo die Konkurrenz ihr Quotenheil in der vollcomputerisierten Zukunft sucht („Wild Palms“), da blickt die alte Tante WDR sehnsüchtig zurück in die Zeiten, als es nur zwei Programme in Schwarzweiß gab. Ihr Animator für die Programmaltlasten ist eine menschelnde Trickfilm- Glotze. Das Alter des Teils aus der guten Stube: 1.349 Programmzeitschriften – also irgendwie Sixties. So weit, so nett, so berechenbar.

Doch was wir dann in einer zusammengestauchten Viertelstunde sehen, sind bloß hektische Déjà-vu-Effekte. Da springt ein vorlauter Stoffhase namens Cäsar als „Platten-Jockey“ durchs Regiestudio. Doch niemand erklärt den lieben Kleinen, wann, wo und warum Cäsar (der „mutige Hase“) – obwohl himmelschreiend doof – einst so beliebt war. Statt dessen meint die animierte Fernsehtruhe dazu bloß humorlos: „Solche Typen haben sich eure Eltern angeguckt, als sie noch Eltern waren.“ Hä?

Dann tauchen, pseudopersönlich und um Zeitgeschichte zu bezeugen, vergilbte Fotos eines unbekannten Mädchens namens Roswitha und der Beatles auf. Doch statt der großen Sehnsucht, statt Plumpaquatsch, Rappelkiste, Flipper und Fury, folgt sogleich die eiskalte Fernsehdusche. Gnadenlos prasselt „Adalbert Dickhut und seine Kinder“ auf uns hernieder. Ein strenger Pauker scheucht Vorschul-„Jungen und Mädel“ über und unter Stühlen hindurch. Das ist nimmer komisch, das weckt ungute Erinnerungen. Noch 1971 hüpften im ZDF-Fitnessklassiker „Turn mit“ stramme Bubenbeine in der Krachledernen zu sanften Flötentönen durch Wiesen und Wälder.

Aber wo am Anfang der Recycling-Ära mit den „Nierentisch“-Wirtschaftswunderrollen wenigstens noch etwas nostalgischer Quergeist spürbar war, da macht diese gequälte TV-Spätgeburt bald nur noch Sehstreß: Zapper-mäßig streut sie Fotos von Overall-Girls „im Strampelanzug“ ein und will uns sogar ein Wackelpudding-Rezept andrehen.

Der TV-Fundus ist für Sylke Wanry (Buch und Regie) eine schnöde Rumpelkammer und das Publikum ihr offenbar egal – Kids und Freaks, dreht die Sicherung raus, werft die GEZ-Rechnung fort. Und träumt selbst von Hanni Vanhaiden und Klaus Havenstein. Dieter Deul