Dauerwerbedisney

■ Um "Daisy" und "Dumbo" nicht zu verlieren, macht die ARD Werbung für einen Vergnügungspark

Während sich auf den Wirtschaftsseiten der Gazetten die Gerüchte um die Schließung des grandiosen Flops „Eurodisney Resort“ bei Paris verdichten, bombardiert in diesen Festtagen die ARD das deutsche Fernsehpublikum mit einer geballten Ladung aus der Zeichentrickfabrik des seligen Walt Disney. Klassiker – zum Teil als Bildschirmpremiere gefeiert – wie „Dumbo der fliegene Elefant“, „Alice im Wunderland“ und „Robin Hood“ finden zwischen Weihnachten und Silvester nicht nur bei den Allerkleinsten Anklang. Auch seelisch festtagsgeschwächte Erwachsene nehmen die Gelegenheit gerne wahr, sich mal wieder an den technisch zweifellos hervorragenden Disney-Epen ihrer Kindheit zu erfreuen.

Doch damit nicht genug. Der allwöchentliche „Disney-Club“ wurde dieser Tage noch ergänzt um „Zauberhafte Weihnachten für Donald Duck“ (ARD, 25.12., wiederholt auf BR 3 am zweiten Weihnachtstag), und Silvester droht uns gleich nach „Robin Hood“ der Gummibärchen-Kannibale Thomas Gottschalk mit „Disney's Zaubernacht“. Drehort hier wie auch in den anderen Fällen: „Euro Disneyland“, Paris.

Es ist schon verwunderlich, warum die private Konkurrenz der ARD in Sachen Disney noch nicht die Rundfunkaufsicht auf den Hals gehetzt hat, handelt es sich doch um kaum verhohlene Werbesendungen für die Produkte des Entertainment-Konzerns Disney. Strenggenommen müßten die von der ARD hergestellten Sendungen à la „Disney-Club“ und „Zauberhaftes Weihnachten...“ analog zum Sat.1-„Glücksrad“ als Dauerwerbesendung gekennzeichnet werden und dürften erst recht nicht am Sonn- oder Feiertag ausgestrahlt werden.

Reichlich Munition für eine derartige Argumentation lieferte am ersten Festtag „Zauberhafte Weihnachten...“. Ein stocksteifer Moderator turnte durch die herbstlich leeren Kulissen von „Euro Disney“ und präsentierte bemüht fröhlich eine Clip-Show aus Disney-Filmen, deren umfängliche Vermarktung derzeit ansteht: „Das Dschungelbuch“ und „Die Schöne und das Biest“ sind die diesjährigen Kassenschlager bei den Kaufkassetten. „Aladin“ ist der aktuelle Weihnachts-Disney in den Kinos, und im Frühjahr kommen gleich zwei Filme mit realen Schauspielern wie Bette Midler („3 Hexen“) und Kiefer Sutherland („Die 3 Musketiere“) in die Abspielstellen. Die Bilder zwischen den Clips waren kaum anders zu verstehen als eine Aufforderung zum Besuch des „Magic Kingdom“ bei Paris.

Nach ähnlichem Muster wird der wöchentliche „Disney-Club“ produziert. Hier sitzen zwar die drei berufsinfantilen ModeratorInnen in einem Münchner Fernsehstudio, aber von Zeit zu Zeit werden sie auch für Außenaufnahmen nach Paris oder manchmal auch nach Florida gekarrt, um den Kids den Mund wässerig zu machen auf „Disneyland“ in allen seinen Variationen. In der jeweiligen nationalen Variante, bei ansonsten vollkommen gleicher Konzeption, läuft „Disney-Club“ übrigens in mehreren europäischen Staaten, neben Deutschland und Frankreich unter anderem auch in England und Italien.

Das System ist nahezu perfekt. Disney hat sich Mitte der achtziger Jahre die aufbrechende Fernsehlandschaft in Europa geschickt zunutze gemacht und die öffentlichen Fernsehanstalten gegen die neuentstandenen kommerziellen ausgespielt. Wohlwissend um die Attraktivität des Zeichentrickfundus und vieler weiterer Tier- und Familienfilme bot Disney ein festgeschnürtes Programmpaket an. Den kommerziellen hätte es schnell hohe Einschaltquoten garantiert, die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten waren daher gezwungen, selbst mitzubieten und sich auf die Bedingungen von Disney einzulassen.

So ist Disney über seine Tochtergesellschaft „Buenavista-Pictures“ jetzt Mitproduzent der jeweiligen „Disney-Clubs“. Für die Gestaltung der Sendung macht „Buenavista“ den koproduzierenden ARD-Anstalten massive Vorschriften, etwa derart, daß alle Elemente verbannt werden, die die Harmonie einer Sendung für die ganze Familie stören könnten. Im koproduzierenden Süddeutschen Rundfunk hält sich hartnäckig das Gerücht, die Kameraleute hätten gar die Anweisung, farbige Kinder im Studiopublikum des „Disney- Clubs“ möglichst am Rand des Bildes zu plazieren.

Auch bei anderen Sendungen im deutschen Fernsehen läßt Disney seine unsichtbare Hand walten. RTL bekam – wenn schon nicht den Zuschlag für den „Disney-Club“ – ein eigenes Paket mit Filmen aus dem Disney-Archiv.

Disney, verbündet mit dem großen Hollywood-Studio MGM und inzwischen Produzent vieler erfolgreicher Fernsehserien gerade auch für Erwachsene wie zum Beispiel den „Golden Girls“, kann seine Marktmacht bequem ausspielen. Wenn die europäischen Rundfunkanstalten ab und zu auch mal einen Knüller für ihr Festtagsprogramm haben wollen, müssen sie sich den Wünschen des Unterhaltungskonzerns notgedrungen fügen.

Aus Angst vor der kommerziellen Konkurrenz versucht die ARD, eine Marktposition zu halten, um den Preis der Aufgabe der eigenen redaktionellen Gestaltungsfreiheit. Schöne Bescherung. Jürgen Bischoff