Theodoros Pangalos ante portas

Am 1. Januar übernimmt Griechenland die Präsidentschaft der Europäischen Union / Die Mitgliedstaaten befürchten, mit Zypern und Makedonien „genervt“ zu werden  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Der griechische Europaminister dämpfte die ohnehin schon niedrigen Erwartungen. Die Erweiterungsverhandlungen der Europäischen Union (EU) mit Österreich, Schweden, Norwegen und Finnland, meinte Theodoros Pangalos in Brüssel, würden wohl kaum bis Ende Februar zu schaffen sein. Doch wenn die Verhandlungen länger dauern als vorgesehen, dann wird auch der Beitrittstermin 1995 nicht zu halten sein. Dabei hat der EU-Ministerrat in den letzten zwei Monaten unter belgischer Präsidentschaft weit mehr als die Hälfte aller strittigen Fragen bereits abgearbeitet.

Aber die griechische Regierung, die am 1. Januar von den Belgiern für ein halbes Jahr den Vorsitz im Europäischen Rat übernimmt, hat andere Prioritäten. „Die Erweiterung interessiert uns nicht“, ließ Innenminister Tsokatsopoulos einen Journalisten in Brüssel wissen. Wichtig sei, daß die Europäische Union endlich sozialistischer werde.

Selbst die sozialistischen und sozialdemokratischen Schwesterparteien in den anderen EU-Ländern distanzieren sich von den gelegentlich sehr planwirtschaftlichen Vorstellungen der griechischen Pasok- Regierung. Als die sozialdemokratisch/sozialistische Fraktion des Europaparlaments im November eine gemeinsame Wahlplattform vorstellte, wurden die Pasok-Abgeordneten fast wie Aussätzige behandelt.

Auf der europäischen Bühne hat die Regierung von Papandreou ohnehin einen schlechten Leumund. Man fürchtet, daß sie die Gemeinschaft im nächsten halben Jahr vor allem mit Zypern und Makedonien nerven wird. Die griechische Regierung fordert die Aufnahme Zyperns in die EU und kämpft gegen die Anerkennung Makedoniens.

Nachdem sechs EU-Staaten die Anerkennung inzwischen vollzogen haben, verlangt Pangalos, daß diese die Regierung in Skopje zwingen, ihrem „expansionistischen Traum“ abzuschwören.

Nach den Statuten der Europäsichen Union hat die Ratspräsidentschaft rein technische Funktionen. Ein halbes Jahr lang hat das belgische Außenministerium die zahlreichen Treffen der Finanz-, Landwirtschafts-, Umwelt- oder sonstigen Minister der zwölf EU- Staaten im Ministerrat vorbereitet sowie die zwei Gipfeltreffen der EU-Regierungschefs im Rahmen des Europäischen Rats. Im nächsten halben Jahr ist das griechische Außenministerium dran.

Aber in Brüssel wachsen die Befürchtungen, daß die Griechen die Ratspräsidentschaft dazu nutzen könnten, neben Zypern und Makedonien andere Themen zu vernachlässigen. Offiziell werden die Bedenken heruntergespielt. Doch im Unterton wird das Bemühen deutlich, die griechische Regierung nicht in die Ecke stellen zu wollen, um eine Vertiefung der Konflikte zu vermeiden.

Vor allem in der Europäischen Kommission jammern viele Beamte, daß die belgische Präsidentschaft eine Reihe von Entscheidungen offensichtlich mit Gewalt durchpeitschen wollte, bevor die Griechen antreten. In den letzten Wochen haben die Belgier fast doppelt so viele Ministerratssitzungen angesetzt wie im Jahresschnitt üblich. Solcher Zeitdruck führe nicht selten zu unreifen Vorlagen, die dann nachher umständlich korrigiert werden müßten.

Aber die Belgier haben auch gezeigt, wie wichtig es vor großen Entscheidungen ist, die Minister und Regierungschefs in bilateralen Gesprächen entscheidungsreif zu massieren. Ob es um die Standortfrage für das Europäische Währungsinstitut, um den Stahlkompromiß oder die europäische Gatt- Zustimmung ging, jedesmal bereiteten sich die Beobachter auf ein Scheitern vor, und jedesmal brachten die Belgier noch einen Kompromiß zustande, mit dem alle leben können. In den zwei Monaten effektiver Ratspräsidentschaft seit der verspäteten Ratifizierung der Maastrichter Verträge Ende Oktober haben die Belgier mehr Probleme abgearbeitet als die meisten anderen Ratsvorsitzenden in einer vollen Amtszeit.

Die Ständige Vertretung Griechenlands in Brüssel, die im wesentlichen mit den Aufgaben der Ratspräsidentschaft betraut sein wird, genießt nur einen geringen Vertrauensvorschuß. Zwar genießt der neue Botschafter Alexander Zafiriou noch Anerkennung aus seiner früheren Brüsseler Amtszeit, aber seine Mannschaft könnte von den Aufgaben überfordert sein.

Nach dem Wahlsieg der sozialistischen Pasok-Partei im Sommer wurde die ohnehin nicht sehr große Vertretung völlig umgekrempelt und fast zur Hälfte mit Neulingen besetzt.

Verwunderung löste auch aus, daß der greise Papandreou nicht den Außenminister, wie das üblich ist, sondern nur dessen Vize zum Europa-Beauftragten machte – jenen Theodoros Pangalos, den man in Brüssel noch aus den achtziger Jahren als außenpolitischen Treter in Erinnerung hat und der diesen Ruf nun sofort wieder auffrischte. Seine Bemerkung, Deutschland sei ein Riese mit den Kräften eines Monsters, aber mit dem Gehirn eines Kleinkindes, mag vielleicht sogar der Haltung in der griechischen Bevölkerung gerecht werden, ein Ausweis für besonderes diplomatisches Geschick ist sie aber nicht.