Kultursubventionen aus SED-Vermögen

■ Der Berliner Kultur fehlen in den kommenden Jahren Bundessubventionen von über 100 Millionen Mark

Wenn es um die Sicherung seiner kulturellen Besitzstände geht, kennt Kultursenator Ulrich Roloff-Momin keine Skrupel. „Ich nehme jedes Geld“, so versicherte er Anfang der Woche, als er auf 30 Millionen Mark angesprochen wurde, die seine Verwaltung aus dem SED-Vermögen erhalten soll.

Diese Summe war ihm versprochen worden als Kompensation für entgangene Zuschüsse des Bundesfinanzministeriums. 138 Millionen Mark an Zuwendungen sollte Berlin im Haushaltsjahr 1994 erhalten, als letzte Rate der Übergangsfinanzierung für kulturelle Einrichtungen in den neuen Ländern, die im Einigungsvertrag vorgesehen war. Doch in Anbetracht seiner eigenen prekären Haushaltslage hat Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) diese Rate gestrichen und auf das Vermögen der SED-Nachfolgepartei PDS in Höhe von 439 Millionen Mark verwiesen: Das solle eingezogen werden. Von dem Teil dieser Summe, der für kulturelle Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden soll, wurden Berlin, entsprechend seiner Bevölkerungszahl, 30 Millionen Mark zugestanden. Doch wurde das Fell anscheinend zu früh verteilt, denn, wie der Sprecher der Finanzverwaltung Steffen Kammradt der taz bestätigte, fehlt bislang die Zustimmung der Unabhängigen Kommission. Nur sie kann über die Verwendung der Parteivermögen befinden. Wie der Staatssekretär der Kulturverwaltung Winfried Sühlo gegenüber der taz erklärte, habe die Kommission eine entsprechende Anfrage bereits verneint, sie wolle sich allerdings Ende Januar erneut mit dem Thema befassen.

Wegen dieser unsicheren Lage hält sich Sühlo lieber an den Bundeskanzler. Der habe zugesagt, daß er „einspringen“ werde, sollte die Kommission bei ihrem Nein bleiben. Dann sei allerdings, so Sühlo, „die Geschäftsgrundlage völlig anders“. Denn im federführenden Bundesinnenministerium werden die Gelder nicht nach Bevölkerungsschlüssel, sondern nach kultureller Erfordernis verteilt — Berlin könnte sich „mindestens 50 Millionen Mark erhoffen“.

Bliebe 1994 noch eine Deckungslücke zwischen 88 und 108 Millionen Mark. Diese „enorme und plötzliche Finanzaufgabe“ soll nach Kammradts Ansicht vorrangig im Haushaltsvollzug der Kulturverwaltung erledigt werden. Sühlo hingegen meint, daß sich der Senat insgesamt damit befassen muß. Der wird Ende Januar seine Beratungen für den Doppelhaushalt 1995/96 aufnehmen. Dabei gilt es, allein 1995 eine Haushaltslücke von fünf Milliarden Mark zu stopfen. Dabei denkt man im Hause Pieroth auch an Streichungen im Kulturetat, etwa die Schließung der Komischen Oper.

Sühlo will sich strukturellen Einsparungen zwar nicht verschließen, doch wäre eine Einstellung des Betriebes eines der Opernhäuser „mit der Spitze unseres Hauses nicht zu machen“. Bereits mit dem Schiller Theater sei „die Grenze erreicht“. Das sieht man im Hause Waigel allerdings anders. Dort will man 1995 bei einer Reihe weiterer Berliner Kulturinstitutionen, wie der Film- und Fernsehakademie, den Festspielen und der Deutschen Kinemathek die Bundeszuwendungen streichen. Sühlo hofft, daß diese Verluste dann durch den Hauptstadtvertrag kompensiert werden. Dieter Rulff