Wachs, Vinyl etc.
: Besseres Plastikselbst

■ Barbie nun auch in Wachs, im Pariser Musée Grévin gleich neben dem Papst

Nächsten März wird sie 35 Jahre alt: Barbie, die kurvenreiche Hartgummidame. Zu ihrem Wiegenfest ist das Busenwunder aus Vinyl nun in Wachs gegossen und zur historischen Persönlichkeit geadelt worden. In 31-Zentimeter-Originalgröße, in eine bestickte Brokatrobe von Dior gehüllt und das üppige Blondhaar vom Pariser Starcoiffeur Alexandre aufs kunstvollste drapiert, steht die Spielzeugfrau aus den USA seit neuestem im Pariser Wachsfigurenkabinett Musée Grévin. Im Gegensatz zum Papst, zu Helmut Kohl und ihrem Präsidenten hat sie den Materialwechsel gut verkraftet: Sie ist die einzige, die sich noch ähnlich sieht.

Ehre, wem Ehre gebührt. Barbies Superbody hat die Welt sicher stärker geprägt als manches Oberhaupt. In Millionen Kinderzimmer brachte sie die völkerverbindende Botschaft vom besseren amerikanischen „Teenager-Mannequin“, 1959Foto: taz-Archiv

Plastikselbst – obwohl ihr Stammbaum in urdeutschem Boden wurzelt. Als Barbies Mutter muß nämlich die Bild- Zeitung betrachtet werden oder doch ein Cartoonweib namens Lilli, das 1952 wegen seiner S- Kurven solches Aufsehen erregte, daß man Lilli bald in Kunststoff goß und am Kiosk eine Mini-Bild verkaufen ließ. Der amerikanische Konzern Mattel erwarb die Rechte, modellierte noch ein wenig nach und machte sie flugs zur auflagenstärksten Puppe der Welt.

„Eine Puppe wie Barbie hat es noch nie gegeben“, schwärmte die Firma 1959. Inzwischen gibt es Barbie mehr als 700 Millionen Mal. Sechs Gesichtsoperationen hat sie klaglos überstanden und ist aus den rabiaten Reparaturen jedesmal noch strahlender hervorgegangen. Mit neun lernte sie twisten, ein Jahr später sprechen, kurz darauf konnte sie schon küssen, und 1971 bekam sie – nur die Mattel-Werbung weiß warum – „auf Wunsch einen Sonnenbrand“. Inzwischen trägt die postmoderne Jungfrau sogar ein herausnehmbares Kind im Bauch – wenn auch die Firma Wert auf die Feststellung legt, daß Barbie keinen Sex im Kinderzimmer treibt.

Nur an den Idealmaßen ihrer Entstehungszeit (99-48-84, hochgerechnet auf Menschengröße) hat sich nichts geändert. Und das verdankt sie nicht etwa ihrem hauseigenen Fitneßcenter samt Tennisplatz und Whirlpool, sondern den entsetzten Eltern. Wohin, lautete nämlich bereits anno 67 bei einer Umfrage der bange Einwand gegen zeitangepaßte Körpermaße, mit Barbies ruinös teurer Garderobe, woher die Unsummen für eine neue Grundausstattung? Immerhin kostete das minimalste Zugeständnis an Barbies Kleiderschrank schon 1965 stolze 200 Mark. Und die in 45 Berufen erprobte Frau mit den ungezählten Eigenschaften kennt ja nur ein einziges Interesse: Mode, Mode, Mode.

900 Millionen Kleidungsstücke nennt sie inzwischen ihr eigen – entworfen von den Top- Designern dieser Welt. So bringt die Gummifrau als demokratische Gesandte von Dior und Saint-Laurent, von Rabanne und Paul Gaultier die Edelfummel unters Volk. Zu dem Klamottenberg kommt natürlich noch ein Häuflein Accessoires dazu: Eigenheim samt Sonnenbank und Spülmaschine, Ferrari, Roß und Mountainbike, ein Computer für die horrenden Rechnungen und ein Plastiktrottel namens Ken, passend zum Hochzeitskleid – vom ganzen anderen Anhang mal zu schweigen.

Barbie war den Frauen stets voraus. Nicht nur ihr Outfit, auch ihre Karriere spiegelt die weibliche Emanzipation vom „Babysitter“ zur Astronautin wider. Zwanzig Jahre vor Sally Ride fuhr die Anziehpuppe schon zum Mond. 1961 war sie Krankenschwester, 1973 Ärztin, und 1988 wurde sie Model. Barbie war stets Vorbild – auch als Disco-Mieze bringt sie noch ihre mütterlichen Pflichten unter einen Doktorhut. Die erste Frau im Weltraum jobbte nicht nur bei United Airlines, sondern zwischendurch auch bei McDonald's, frei nach der amerikanischen Devise: „Girls can do anything“ – vorausgesetzt, sie können sich die Garderobe leisten.

Barbie ist die erste Phantasiegestalt, die mit ihrer Aufnahme in die erlauchte Runde wächserner Geschichtsprominenz museale Weihen erhält – und dies zu einem Zeitpunkt, wo sie als Ikone des Konsumrauschs gerade historisch zu werden beginnt. Auch wenn sie jetzt in Wachs dasteht, die biegsame Vinylfrau ist aus dem Stoff, aus dem die Träume unseres ausgehenden Jahrhunderts sind. „Sie sind schön“, schwärmte Andy Warhol von den minimalistischen Kunststoffgöttinnen, „jede aus Plastik, aber ich liebe Plastik. Ich wäre gern aus Plastik.“ Mit Barbies Hilfe ist die Erfüllung dieses kollektiven Wunsches nähergerückt. Andrea Köhler