Mazedonien: Kampf der „All-Albanischen Armee“

■ Diplomatische Anerkennung Skopjes durch Tirana – doch die Probleme bleiben

Wien (taz) – Die Achse steht zumindest auf dem Papier. Bulgarien, Mazedonien und Albanien verpflichten sich in mehreren Freundschafts-, Wirtschafts- und Militärverträgen, sich gegenseitig beizustehen und „einen Faktor des Friedens und der Stabilität auf dem Balkan zu bilden“. Während sich Sofia bereits vor zwei Jahren wie keine andere europäische Regierung für die staatliche Anerkennung der ehemals südjugoslawischen Republik Mazedonien einsetzte, bestehen nun seit Weihnachten auch diplomatische Beziehungen zwischen Tirana und Skopje. Dieser Schritt erfolgte Tage nachdem eine Reihe von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter Deutschland, Großbritannien, Dänemark und Italien, ihrerseits volle diplomatische Beziehungen zu Skopje aufgenommen hatten.

Albanien hat somit eindeutig Position gegen die Politik des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević und des griechischen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou bezogen und somit das eh schon schwierige gegenseitige Verhältnis weiter belastet: Denn Serbien und Griechenland lehnen diplomatische Beziehungen zu Mazedonien grundsätzlich ab und unternehmen nichts gegen jene Kräfte in ihren Ländern, die dem jüngsten europäischen Staat das Existenzrecht absprechen und offen für Grenzänderungen plädieren. Athen beschwert sich in Tirana ständig über die Behandlung der angeblich 300.000 griechischen Landsleute in Albanien, denen auch nach der Wende wichtige Autonomierechte als Minderheit vorenthalten werden. Belgrad wiederum ortete in Albanien bereits mehrere Terrorzentren, über die Waffen und Munition, Agenten und elektronische Logistik über die Grenze ins albanisch besiedelte Kosovo eingeschleust werden sollen. Milošević wirft der Führung in Tirana sogar vor, das Kosovo-Gebiet langfristig einem Großalbanien einverleiben zu wollen.

Albanien sieht daher keine andere Möglichkeit, als sich Verbündete zu suchen, neben der Türkei nun auch Mazedonien und Bulgarien. Damit diese diplomatische „Adria-Schwarzmeer-Achse“ aber überhaupt halten kann, ignoriert Tirana schweren Herzens ein weiteres Nationalitätenproblem – die Lage der albanischen Landsleute im Osten Mazedoniens. Denn etwa jeder dritte Einwohner Mazedoniens ist Albaner, meist jedoch nur Bürger zweiter Klasse. Schon in den letzten Jahrzehnten unterschied sich die Lage der Kosovo-Albaner kaum von der der Vevcani-Albaner in Mazedonien.

Und auch heute klagen die Minderheitenführer in beiden Staaten über fortgesetzte Repression und Verfolgung. So halten die Behörden in Skopje derzeit einige hundert Albaner in Untersuchungshaft, denen sie die Bildung paramilitärischer Verbände vorwerfen. Glaubt man den Angaben der Staatsanwaltschaft, so kam die mazedonischen Polizei in den letzten sechs Wochen Dutzenden Rädelsführern eines „großangelegten gewaltsamen Volksaufstandes“ auf die Spur. Sie beschlagnahmte Unterlagen, aus denen hervorgeht, daß bis zu 20.000 Albaner als Guerillakämpfer rekrutiert und mit modernsten Waffen ausgerüstet werden sollten. Das „Hauptquartier“ und der „Kommandostab“ der „All-Albanischen-Armee“ wurde diesen Angaben zufolge Mitte November in der Stadt Gostivar im Westen Mazedoniens entdeckt, unmittelbar im Länderdreieck zu Serbien und Albanien. Zu den Festgenommenen zählen mehrere bekannte Schriftsteller, Intellektuelle und mehrere albanische Politiker, darunter auch Staatssekretär Husein Haskaj aus dem Verteidigungsministerium. Der Führer der mazedonischen Albaner und Vorsitzende der albanischen „Partei der demokratischen Prosperität“, Nevzat Halili, spricht in diesem Zusammenhang von einer „ungeheueren Provokation“ von seiten der Regierung in Skopje und fordert die Freilassung der angeblichen „Aufständischen“. Gleichzeitig verlangt er für seine Volksgruppe mehr Autonomierechte bis hin zum Verfassungszusatz, daß Mazedonien ein Staat zweier „staatstragender Völker“ sei, eben der Mazedonier und Albaner. Forderungen, die nicht nur für die Politiker in Skopje zu weit gehen. Ausgerechnet der albanische Präsident Sali Berisha griff in die Auseinandersetzung im Nachbarstaat ein und ließ Halili kaltstellen. Der mazedonische Albanerführer, so das offizielle Tirana, sei ein „Agent des serbischen Geheimdienstes“, der einen Aufstand provoziere, um so Albanien wie Mazedonien, ähnlich wie in Bosnien, in ein neues Kriegsabenteuer zu stürzen. Ein riskanter Schachzug Berishas, der auf diese Weise die albanisch-mazedonischen Beziehungen aufrechterhalten will. Karl Gersuny