Ernstes allzu ernst

■ Freudlos: „Der Menschenfreund“ von Christopher Hampton im Theatron

Natürlich kann nicht bei jeder Amateurtheateraufführung das Timing hundertprozentig sitzen. Natürlich kann nicht jede Pointe zielgenau treffen. Das nähme man liebend gern in Kauf - unter einer Bedingung: Es müßte sich die simple Freude des Sich-Ausprobierens vermitteln. Es müßte eine unbändige Lust am Theaterspielen spürbar sein. Dann könnte man Qualitätsmängel als dilettantischen Charme loben und teilhaben an dem Spaß, der die Produktion offenbar getragen hat.

Bei der Aufführung von Christopher Hamptons Der Menschenfreund, die Kai-Uwe Hansen und Aurelia Geisse im Theatron in Szene setzten, herrscht nur eins: purer Ernst. Sehr ernst genommen haben die Nachwuchsregisseure das Stück. Ernster, als es von Hampton selbst gemeint ist. In aller Breite gewähren sie Einblicke in das englische Intellektuellenmilieu der 70er Jahre. Gewollte Zynismen, hohle Selbstproduktion, verpatzte Liebeleien. Dahinter verdrängtes Unbehagen, ein falsches Leben zu führen. Was immer daran interessiert haben mag: Es wird nicht deutlich. Und das Spiel von Schein und Sein, von Realität und Fiktion, das das Stück durchzieht, schmilzt zu simplem Realismus zusammen.

Ernst genommen haben alle Beteiligten der Aufführung auch sich selbst. Allzu ernst. Das phantasielose Bühnenbild: einige Sessel, ein Schreibtisch, ein Schrank. Kostüme dito. Und im Spiel der Akteure funkelt keine Selbstironie - die Auferstehung des dialogzentrierten Konversationstheaters von Anno, nur eben schlechter, als es jemals war.

Nur eine theatralisch gelungene Szene gab es zu sehen. Als der Menschenfreund von seiner Verlobten verlassen wird, tanzen beide noch ein paar Schritte. Es vollzieht sich der einzige Lichtwechsel des Abends. Aber zwischen den beiden Tänzern vollzieht sich nichts mehr. Ihre Gesichter sind apathisch, sie bewegen sich wie in Trance. Sie wollten Nähe und sind sich fern. Erst als sie sich trennen, setzt Musik ein, die die Trennung endgültig besiegelt und zur nächsten Szene überleitet.

Solche szenische Phantasie hätte man einfach gern öfter gesehen. Doch die Regisseure beschränken sich darauf, die Schauspieler auf Sessel zu plazieren, sie miteinander reden zu lassen und das Ganze durch einige Gänge aufzulockern. Alles haben sie ernst genommen, nur eins nicht: das Theaterspielen.

Dirk Knipphals

Theatron, nächste Vorstellungen: heute, 20.07 Uhr, 1.1. 20.07 Uhr, 2. 1. 17.07 Uhr, weitere Termine: 4305544